Ungarn auf Atomkurs, Russland unterstützt

ENERGIE Ungarn stellt die Weichen für eine atomare Zukunft – die Erneuerbaren bleiben auf der Strecke

Der Inhalt der Verträge ist ein Staatsgeheimnis

WIEN taz | Wladimir Putins Besuch in Budapest am Dienstag hat auch die Atompartnerschaft zwischen Russland und Ungarn besiegelt. In der mit fünf Staatsmaschinen eingeflogenen Entourage des Präsidenten befanden sich neben Außenminister Sergei Lawrow auch Energieminister Alexander Nowak, Gazprom-Chef Alexei Miller und Rosatom-Chef Sergei Kirijenko.

Die Verträge über zwei zusätzliche Blöcke im AKW Paks, 100 Kilometer südlich von Budapest, wurden schon vergangenes Jahr unter Dach und Fach gebracht. Die 1,2-Gigawatt-Reaktoren vom Typ WWER 1200 sollen 2023 ans Netz gehen und Ungarns Atomkapazitäten verdoppeln. Rosatom-Chef Sergei Kirijenko verkündete nun in Budapest, die Dinge liefen so gut, dass er nicht ausschließen könne, dass Ungarn zwei weitere AKW-Blöcke bei seinem Unternehmen in Auftrag gebe. Sicherheitsbedenken schob er mit dem Hinweis auf die eingesetzte Post-Fukushima-Technologie beiseite. Er garantierte den neuen Reaktoren eine Lebenszeit von 60 Jahren.

Wie viel der Ausbau der bereits geplanten Blöcke exakt kostet, ist nicht bekannt. Russland will aber das Vorhaben mit einem Kreditrahmen von 10 Milliarden Euro vorfinanzieren. Das Angebot erschien Ungarns Regierung so attraktiv, dass auf eine Ausschreibung verzichtet wurde. Der Inhalt der Verträge ist Staatsgeheimnis und soll es auch die nächsten 15 Jahre bleiben, wenn es nach der regierenden Fidesz von Premier Viktor Orbán geht. Ein entsprechender Antrag wurde ins Parlament eingebracht, wo die Regierung über eine Zweidrittelmehrheit gebietet. Die Oppositionsabgeordnete Tímea Szabó hält diese Geheimniskrämerei für illegal und will sich an Präsident János Áder wenden.

Ungarn stellt also die Weichen für eine atomare Zukunft. Die Pläne, erneuerbare Energien auszubauen, bleiben dabei auf der Strecke. Auf dem Papier hält Ungarn zwar an dem Ziel fest, bis 2020 insgesamt 14,65 Prozent seines Primärenergieverbrauchs durch erneuerbare Energieträger abzudecken. Doch Branchenvertreter halten das für unrealistisch.

2011 lag der Anteil bei 7,85 Prozent. Die Entwicklung ist eher rückläufig. Das geringe Gefälle der Donau und anderer Flüsse prädestiniert Ungarn nicht für Wasserkraftanlagen. Doch das geothermische Potenzial des Landes ist enorm und wird kaum genutzt. Ungünstige Einspeisetarife dienen eher zur Vermeidung neuer Investitionen in Biogas- und Photovoltaik-Anlagen. Und eine zu Jahresbeginn verhängte Steuer auf Solaranlagen verdirbt auch Privaten die Lust an grüner Energie.
Verschwindende 0,2 Prozent der in Ungarn erzeugten erneuerbaren Energie kommt aus der Sonnenkraft. RALF LEONHARD