AKW-Gegner besiegt die Polizei

BADEN-WÜRTTEMBERG Mannheimer Gericht untersagt nach sieben Jahren Datensammeln gegen den Anti-Atom-Aktivisten Herberth Würth. Der spricht von einem „Piloturteil“ und hofft auf ein anderes Versammlungsrecht

VON LENA MÜSSIGMANN

STUTTGART | Herberth Würth (59) ist ein kräftiger Mann. „Ich zieh die Sache durch“, sagt er oft. Er trägt Jeans und Hemd, arbeitet in der Automobilindustrie. Nach Feierabend engagiert er sich gegen Atomkraft, seit Jahrzehnten schon. Das Atomkraftwerk Neckarwestheim liegt nicht weit von seinem Wohnort entfernt. Weil er Demos organisiert und dabei ist, wenn Castor-Transporter gestoppt werden, geriet er ins Visier der Polizei. Das Landeskriminalamt hat wegen des angeblichen Verdachts, dass Würth Straftaten begeht, alle möglichen Daten über ihn gespeichert. Er hat acht Jahre dagegen gekämpft und nun Recht bekommen.

Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim teilt zu seinem Urteil mit: Die Speicherung der Daten in der Arbeitsdatei Politisch motivierte Kriminalität in Baden-Württemberg (AD PMK) sei rechtswidrig gewesen, weil die Behörde nicht begründet habe, warum sie den Verdacht hegt, dass Würth in Zukunft Straftaten begeht. Würth spricht von einem „politischen Piloturteil“.

Was über ihn gespeichert war, nennt Würth „ein politisches Bewegungsprofil über mehr als zehn Jahre“: wann er in der Ludwigsburger Fußgängerzone Flyer verteilt hat, wo er auf Kundgebungen geredet hat. „Ich hab Flyer verteilt. Wo ist da der Verdachtsmoment?“

Ein Sprecher des Landeskriminalamts teilt mit, die Daten, um die es beim Prozess ging, seien bereits gelöscht. Zum Urteil wolle man sich nicht im Detail äußern. Nur so viel: „Wir werden nun schauen, ob wir an der aktuellen Erfassungspraxis im Land etwas ändern müssen.“ Würth will den Landesdatenschutzbeauftragten einschalten und von ihm eine Bestätigung einfordern, dass die Polizei ihre Speicherpraxis ändert. „Vorher geb ich keine Ruhe.“

Würth hat im Juni 2007 von der Speicherung erfahren, weil eine Polizeimitarbeiterin bei einem Telefonat mit ihm aus einer Akte zitierte, die jede Menge Details über ihn enthielt. Mit seinem Antrag auf Datenauskunft wurde er ans LKA verwiesen.

Warum war er in einer Kriminellendatei gespeichert? Würth ist dabei, wenn Castor-Transporte gestoppt werden. Er wurde schon mehrfach von der Polizei in Gewahrsam genommen, nach seinen Angaben aber zuletzt 2005. Ermittlungen gegen ihn seien immer eingestellt worden. Aus seiner Sicht sei ein Verdacht auf weitere Straftaten, der die Speicherung gerechtfertigt hätte, etwa dann gerechtfertigt, wenn ihn die Polizei mit einer Schaufel an einer Bahnlinie getroffen hätte, meint Würth. So etwas habe er aber nie gemacht, nicht einmal vorgehabt.

Er kritisiert, dass die Polizei versuche, Aktivisten zu kriminalisieren. Aus Ordnungswidrigkeiten wie der Blockade eines Transports werde der Straftatbestand der Nötigung gemacht. Einige Mitstreiter hätten ihr Engagement eingestellt, weil sie nicht die Kraft hätten, Strafverfahren durchzustehen. „Nur noch eine Handvoll Leute ist noch bereit, Demos anzumelden“, berichtet Würth. Er gehört dazu. Die Auflagen seien so streng, dass dem Anmelder einer Demo fast immer ein Verstoß vorgeworfen werden könne. Von der grün-roten Landesregierung fordert er, das Versammlungsrecht zu entschärfen und den Straftatbestand auf „Hardcoreverstöße“ zu beschränken. Im Koalitionsvertrag habe Grün-Rot ein „bürgerfreundliches Versammlungsgesetz“ versprochen. Eine Reform gab es bislang aber nicht.