: Liebliche Lichtküste
Es gibt sie noch: Wer an der „Costa de la Luz“ Andalusiens, zwischen Cádiz und Tarifa, nach unberührter Natur sucht, der kann sie finden. Allerdings muss man dafür, vorbei an neuen Feriensiedlungen, kilometerweit den Strand entlanglaufen
Neben der abwechslungsreichen Landschaft – Sandstrände an der Küste und eine karstige Berglandschaft im Landesinneren – ist es vor allem der kulturelle Reichtum Andalusiens, der bis heute so viele Besucher aus dem Ausland anzieht. Activida Tours (www.activida.de) bietet zwei verschiedene Touren an: einmal die „Ruta occidental“, bei der neben Stadtbesichtigungen (u. a. Ronda, Córdoba, Sevilla) auch Wanderungen durch Naturparks und Entspannung an der Costa de la Luz zum Programm gehören; zum anderen die „Ruta oriental“, bei der u. a. Granada mit seiner weltberühmten Alhambra, die nahe gelegene Sierra Nevada und der Strand bei Cabo de Gata besucht werden; nächste Termine: 15. 3. 08 und 12. 4. 08. LaMar-Reisen (www.lamar-reisen.de) bietet derweil „Andalusische Ostertage“ an, wobei neben dem Besuch der „Semana Santa“-Prozessionen in der kleinen Hafenstadt Tarifa auch Delfine und Wale in der Meeresstraße von Gibraltar beobachtet werden.
VON OLE SCHULZ
Manchmal ist es ein Kreuz mit der „Geiz ist geil“-Attitüde. Da bucht man nachts für 120 Euro einen Super-Last-Minute-Flug nach Jerez de la Frontera, und 24 Stunden später macht man sich, mitten in der Nacht, auf den Weg – nicht direkt, sondern erst mit dem Zug nach Hannover, wo der Billigflieger am Morgen startet.
Allerdings hatte ich in der Hektik die Streikandrohung der Zugführer vergessen. In Hannover angekommen, wird aber schlagartig klar, dass die Lokführer ihre Androhung wahr gemacht haben: Die S-Bahn zum Flughafen fährt nicht. Auf Umwegen komme ich doch noch rechtzeitig zum Check-in, und die Odyssee nimmt ihren Lauf.
Als ich drei Stunden später ziemlich übermüdet in Jerez lande, wollen die Transportprobleme kein Ende nehmen. Denn in Spanien ist am 12. Oktober Nationalfeiertag, und es fahren kaum Busse. Irgendwie schaffe ich es, am Nachmittag in der Ortschaft Zahara de los Atunes an der Costa de la Luz anzukommen.
Unbekannte Leckereien
Was mich überrascht: Auch in diesem ehemaligen Fischerdorf sprießen „urbanisaciónes“, neue Siedlungen für die großstädtischen Spanier, nur so aus dem Boden. Auf der Iberischen Halbinsel hat das Bauvolumen derzeit eine Größenordnung wie in Deutschland und Frankreich zusammen. Entschädigt für die ungezügelte Bauwut wird man durch den tollen Strand der fünf Kilometer langen Bucht Zaharas.
Zum Sonnenuntergang komme ich dann zum ersten Mal in den Genuss einer besonderen Spezialität Andalusiens: der „Tapas“. Wobei ich einige Schwierigkeiten beim Bestellen habe, weil mir die Namen der leckeren Kleinigkeiten noch unbekannt sind. Schließlich bekomme ich „garbanzos con espinacas“, Kichererbsen mit Spinat, und „almendras con pimentón“, geröstete Mandeln mit Paprika, serviert. Zum Abschluss gönne ich mir ein Glas Sherry aus der Region.
Nach einer Nacht auf dem örtlichen Campingplatz beschließe ich, mich zu Fuß auf die Suche nach den Überresten der ursprünglichen „Lichtküste“ zu begeben und den Strand Richtung Süden entlangzuwandern. Ich orientiere mich zunächst am „Faro de Camarinal“, dem Leuchtturm, hinter dem der Wanderweg zum Dorf Bolonia beginnt.
Als ich den „Faro“ passiert habe, ist es endlich so weit: Ich bin in der unberührten Natur angekommen. Vorbei an einem Ziegengehege schlängelt sich der Pfad durch den Naturschutzpark der hügligen Sierra de la Plata. Die Freude über die absolute Stille um mich herum dauert jedoch nicht allzu lange. Just in dem Moment, als ich die höchste Erhebung erklommen habe, piepst mein Handy – das Netz hat sich auf einmal auf einen marokkanischen Anbieter umgestellt. Kurz darauf stoße ich auf eine asphaltierte Straße, die auf meiner Karte nicht verzeichnet ist.
Ein Schild klärt mich auf: Es handelt sich um eine Zufahrt zu einem Stützpunkt der spanischen Armee. Fortan treffe ich mehrmals auf militärische Sperrgebiete – wegen der Nähe zu Marokko hat der Küstenschutz hier Priorität. In der Zeitung hatte ich gelesen, dass das Auffanglager für afrikanische Flüchtlinge in Gibraltar so überfüllt sei wie noch nie, während sich auf einem Boot, das von Mauretanien auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln war, erneut ein Drama abgespielt hatte: Von 57 Passagieren überlebte nur einer. Rund 13.000 „Papierlose“ sind derweil seit Januar lebend an den Küsten Spaniens gelandet.
An diese Zahlen muss ich denken, als ich vom Bergrücken Richtung Süden blicke. Von hier oben aus kann man im Dunst den afrikanischen Kontinent am Horizont erahnen. Ich folge der Straße talabwärts und stehe unvermittelt vor einem Zaun – wieder ein Militärgebiet, Betreten strengstens verboten. Weil ich nicht den Umweg über die gewundene Straße nehmen will, steige ich flugs über die Absperrung. Durch einen Pinienwald sind es nur wenige hundert Meter, bis ich die große Düne am nördlichen Ende von Bolonias Bucht erreiche.
Ich habe ungefähr die Hälfte der Strecke geschafft, die ich mir vorgenommen habe. Gut gelaunt schlendere ich am Strand Bolonias entlang, dann ändert sich der Weg schlagartig, und es geht über Geröll durch einsame Buchten weiter. Allmählich werden meine Beine schwer, doch der Weg zieht sich in die Länge. Ich frage ein Pärchen Nacktbadender, wie ich am besten zu dem nächstgelegenen Campingplatz komme, und man empfiehlt mir, die Straße landeinwärts zu wählen.
Als ich einen weiteren Höhenzug überwunden habe, kann ich einen ersten Blick in die Bucht von Ensenada de Valdevaqueros erhaschen. Wie anmutige Vögel schwirren die Schirme dutzender Kite-Surfer durch die Luft, während sich die Küstenlinie bis Tarifa hinzieht. Von nun an geht es nur noch bergab, was gut für mich ist, wo mich meine Kräfte verlassen. Ich schaffe es gerade noch aufrechten Ganges in die erstbeste Strandbar. Dort schließe ich den Tag mit köstlichen Tapas ab und schaue mir ein Spektakel an, von dem ich nicht wusste, dass es hier noch so lebendig ist: Im Fernsehen wird ein Stierkampf übertragen, den die Gäste lautstark kommentieren.
Am nächsten Tag fahre ich mit dem Bus nach Málaga weiter. Die Stadt gefällt mir auf Anhieb. Das liegt vor allem daran, dass ich bei meinem kubanischen Freund Pedro in einem charmanten Altstadtviertel unweit des Zentrums unterkomme. Málaga hat ein fast kosmopolitisches Flair, und der arabische Einfluss ist deutlich spürbar. Neben Nordafrikanern leben hier allerdings zunehmend auch Lateinamerikaner und Osteuropäer. Spanien ist in Europa inzwischen das Land mit den meisten Zuwanderern, 9,9 Prozent der Bevölkerung sind Immigranten.
Kosmopolitisches Flair
Laut Pedro klappt das Zusammenleben zwischen Spaniern und Einwanderern sogar recht gut, allen Berichten über Rassismus zum Trotz. Zumindest wenn man so hart anpacke wie er, sagt Pedro, würden die Malagueños das auch anerkennen. Zwölf Stunden, die ganze Nacht hindurch, arbeitet Pedro als Kellner in einer Bar, die eine Stunde mit dem Bus entfernt liegt. Dafür bekomme er ohne Arbeitsvertrag immerhin 1.300 Euro im Monat und gehöre damit zu der – schon nicht mehr so großen – Schicht derjenigen, die „tausend oder mehr“ Euro verdienen.
Bei einigen Spaziergängen lerne ich auch noch die hässlicheren Seiten der Stadt kennen. Gerade in den Außenbezirken gleicht Málaga manchmal einer städtebaulichen Wüste, die von Shopping-Malls dominiert wird. Trotzdem, ich habe das Gefühl, irgendwo angekommen zu sein, wo ich immer schon zu Hause sein wollte. Das marokkanische Hasch ist wunderbar betörend und der strahlende Himmel in ein magisch helles Blau getaucht; es scheint, als ob die gleißende Sonne hier immerwährend scheinen würde.