LESERINNENBRIEFE
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Schlag ins Gesicht

■ betr.: „Es gilt das Wohnortprinzip“, taz hamburg vom 5. 11. 11

Es klingt vermeintlich gerecht, dass Schulen ihre Kinder nicht mehr nach dem Kriterium Leistung aufnehmen dürfen sollen. Die Entscheidung, das „besondere Aufnahmeverfahren“ abzuschaffen, ist aber ein Schlag ins Gesicht erfolgreich arbeitender Stadtteilschulen. Bislang wurde das Verfahren als ein Wettbewerbsvorteil für wenige Stadtteilschulen beziehungsweise ehemalige Gesamtschulen betrachtet. In Wahrheit geht es aber um die Frage, ob im zweigliedrigen Schulsystem beide Alternativen attraktiv sind. Richtig wäre es gewesen, dieses Aufnahmeverfahren auf alle Stadtteilschulen auszuweiten. Es wurde immer betont, dass die Stadtteilschulen eine starke Alternative zu Gymnasien sein sollen. Nun dürfen sie aber nicht mehr Kinder bevorzugt aufnehmen, deren Eltern meistens als Zweitwunsch ein Gymnasium angeben. Diese Kinder gehen dem System Stadtteilschule verloren, aber eine gute Durchmischung (Heterogenität) ist besonders förderlich für das Lernen sowohl der Leistungsstarken als auch der Leistungsschwächeren. Mit diesem Schritt werden die Stadtteilschulen zu Restschulen degradiert, zumal sie die Herausforderung durch die Inklusion von Kindern mit Förderbedarfen fast alleine meistern müssen. Das ist eindeutig das falsche Signal in einer Phase, in der sich die neue Schulform erst einmal selbst finden und positionieren muss. Und noch eins: Das Kriterium Schulweg wird derzeit in der Entfernung von der Schule aus gemessen. Kinder aus den Landgebieten stehen dann immer hinten an. Gerecht wäre es, die für die Kinder die am besten erreichbare Schule auf Rang 1 zu setzen.  HERWIG SÜNNEMANN