: Die Wiederentdeckung der Gemächlichkeit
Das Parlament der evangelischen Kirche diskutiert über Reformen und wie schnell sie angepackt werden müssen
DRESDEN taz ■ Da jaulte die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kurz auf: Als der Synodale Max Schumacher von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau berichtete, was ihm vor Jahren ein Kirchenoberer über die Bedeutung eben der Synode, des Kirchenparlaments, sagte: Das sei doch eine „bessere Erwachsenenbildung“. So etwas hören Parlamentarier – ob im Bundestag, ob in der Kirche – nie gern, dass sie nichts zu sagen hätten. Nein, die 114 Synodalen, die noch bis Mittwoch in Dresden versammelt sind, wollen Wichtiges für ihre Kirche mit ihren 25 Millionen Mitgliedern entscheiden. Sie wollen, dass die Synode mit dem Motto „evangelisch Kirche sein“ den Beginn einer umfassenden Reform ihrer Glaubensgemeinschaft markiert.
Dass diese Reform nötig ist, darüber herrscht dank des „Impulspapiers“ des Rates der EKD, der Führungsebene der 23 Gliedkirchen, seit 2006 kein wirklicher Zweifel mehr. Die Zahlen sprechen für sich: Wie das umstrittene Dokument in ziemlich kalter Ökonomensprache analysierte, wird die Zahl der evangelischen Christen in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2030 um ein Drittel auf dann nur noch 17 Millionen zurückgehen, wenn man jetzt nicht gegensteuert. Zugleich wird sich den Prognosen nach die Finanzkraft der EKD bis dahin halbieren. Einer der wichtigen Auswege, die das Papier, vorangetrieben von dem EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber, vorschlug: Die Zahl der Landeskirchen möge auf mindestens 12 verringert werden. Die Summe der Kirchenmitglieder sollte trotz schrumpfender Bevölkerung gehalten werden. Die Kirchgangsquote soll sich von heute 3,9 auf 10 Prozent steigern. Außerdem müsse das protestantische Profil geschärft werden. Ehrgeizige Ziele.
Aber wie sind die konkret zu erreichen? Der Bonner Theologie-Professor Eberhard Hauschildt gab am ersten Tag der Debatte die Richtung vor: Ein Jahr nach Veröffentlichung des Reformpapiers seien die „provozierenden Zahlen“, etwa zur Anzahl der Landeskirchen oder zur Kirchgangsfrequenz, „weitgehend vom Tisch“. Zwei wesentliche Gründe dafür: Sie waren nicht Konsens oder schienen zu unrealistisch. Was dem Papier aber gelungen sei: Es habe, auch nach einer Tagung zu notwendigen Veränderungen in der Kirche Anfang des Jahres in Wittenberg, „die ‚Beweislage‘ umgedreht“: Wer weiter „keine einschneidenden Strukturreformen will“, müsse nun darlegen, wie denn seine Antwort auf die eher triste Lage wäre – und warum er glaubt, dass alles beim Alten bleiben könne.
Der erste Eindruck am ersten Tag der Reformdebatte, des „Kerns dieser Synode“, wie es Huber sagte: Zum einen wird sich die evangelische Kirche, typisch für eine demokratisch konstituierte Massenorganisation, nur langsam reformieren. Mehrfach merkten die Synodalen an, der Reformprozess sei zwar gut, aber er könne durchaus „entschleunigt“ oder „verlangsamt“ werden – und das sei auch gar nicht von Nachteil, weil man dazu ja alle Mitglieder mitnehmen wolle und weniger Fehler aus Übereile entstünden. Der „Aufbruch“, den das Impulspapier und der Kongress in Wittenberg in der EKD ausgelöst habe, dürfe zweitens nicht ins Leere gehen. Und drittens müssten die Kompetenzen im nicht ganz einfachen Aufbau der evangelischen Kirche klarer definiert werden, das heißt: Wer hat wann was zu sagen? Dies fordert auch der Entwurf einer Resolution, die von dem Theologen Peter Bukowski eingebracht wurde. Sie trägt den Namen „Kundgebung“ und soll am Ende der Synode von den Kirchenparlamentariern verabschiedet werden. Wohin die Reise dabei geht, haben die Synodalen auch schon vorgegeben: Die Synode, also die Legislative der evangelischen Kirche, solle mehr Macht über den Rat, die Exekutive, erhalten. Das aber würde bedeuten: Die EKD-Reform geht zwar demokratischer voran als bisher – aber auch langsamer. PHILIPP GESSLER