: Solidarität hilft gegen Krankheiten
KIND STIRBT AN MASERN
Ein Kleinkind in Berlin ist gestorben; nachweislich, das haben Ärzte der Charité am Dienstag festgestellt, an den Masern. Wie es jetzt heißt, ist es der erste Virustote seit Ausbruch der Epidemie im Herbst mit bislang mehr als 630 rekordhaften Infektionen in der Hauptstadt.
Besonders tragisch ist, dass der Junge eben gerade nicht aus einer jener Familien kam, die Schutzimpfungen als bloße Gelddrucklizenz der Pharmaindustrie diskreditieren oder Infektionskrankheiten in Europa fahrlässigerweise für längst überwunden halten. Die Eltern hatten ihr Kind impfen lassen – gegen alle möglichen Krankheiten, vor denen zu schützen Kinderärzte raten auf Grundlage der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission der Bundesrepublik Deutschland. Nur gegen die Masern war es nicht geimpft. Noch nicht, so darf vermutet werden. Der Junge war 18 Monate alt, erst ab dem 11. Lebensmonat ist die Impfung für Kinder verträglich.
Hat das Kind also einfach nur Pech gehabt? Mitnichten. Denn, und das ist die vielleicht noch größere Tragik, die uns Anlass sein sollte, spätestens jetzt über unterschätzte Gefahren, vor allem aber über die Bedeutung von solidarischem Gesundheitsverhalten nachzudenken: Impfungen schützen nicht nur das Individuum. Bei genügend hoher Impfbeteiligung – die Weltgesundheitsorganisation spricht von 95 Prozent – können Ausbrüche von Krankheiten ganz verhindert werden, weil in der Bevölkerung dann, Stichwort Herdenimmunität, zu wenige empfängliche Personen vorhanden sind. Im konkreten Fall hätte dann auch das Berliner Kind, über das aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mehr bekannt ist, im Schutz der geimpften Mehrheit überlebt.
Diese Botschaft aber scheint vielerorts noch nicht angekommen zu sein. Dies ist eine weitere Lehre aus dem Masernausbruch: Impfskeptiker wird man nicht mit der Androhung einer Impfpflicht zu einer Verhaltensänderung bewegen. Wohl aber mit der geduldigen Offenlegung von Fakten über Risiken und Nebenwirkungen von Impfungen – im Vergleich zu Risiken und Nebenwirkungen im Fall einer Erkrankung. HEIKE HAARHOFF