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Archiv-Artikel

Aus für die „Semper-Camper“

FLÜCHTLINGE Das Dresdner Protestlager überlebte Pegida-Attacken am Montagabend. Die Räumungsaufforderung des Ordnungsamts am Dienstagmorgen überstand es aber nicht

„Wir mussten nachhelfen, weil es uns zu langsam ging“

ORDNUNGSAMTSLEITER RALF LÜBS

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

„Für ein weltoffenes Dresden“, verkündet eine Banderole an der Semperoper. Doch Dresden hat am Dienstagmorgen eine weitere praktische Gelegenheit versäumt, sich wirklich weltoffen zu zeigen. Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes räumten Aktivisten unter Polizeiaufsicht ihr Protestcamp auf dem Theaterplatz. Schon am Montagabend hatte die Semperoper das Stromkabel, das sie den Campern zur Verfügung gestellt hatte, wieder vom Netz getrennt. Auf dem Platz hatten nach einer Demonstration am Sonnabend, die auf die prekäre Lage von Flüchtlingen in Deutschland aufmerksam machte, spontan bis zu 100 meist junge Flüchtlinge und deren Unterstützer in drei Zelten übernachtet.

Die Räumung verlief friedlich, die Veranstalter des Refugee Struggle Camps bauten die Zelte selber ab. Die Auflagen wurde auf Deutsch, Englisch und Arabisch verlesen. „Wir mussten etwas nachhelfen, weil es uns zu langsam ging“, erklärte Ordnungsamtsleiter Ralf Lübs.

Nach der Räumungsaufforderung seiner Behörde hätte die Polizei eigentlich auch schon am Montagabend eingreifen können. Linken-Landeschef Rico Gebhardt setzte sich aber beim Dresdner Polizeipräsidenten Dieter Kroll für einen Aufschub ein. „Eine Zwangsräumung am Abend wäre der Super-GAU für Dresden“, schildert er seinen SMS-Kontakt. „Wer sagt Ihnen denn, dass wir räumen?“, schrieb Kroll zurück.

Die Polizei war am Montagabend dennoch auf dem Theaterplatz präsent, zunächst aber, um das Camp zu schützen. Anhänger des Pegida-Gründers Lutz Bachmann hatten in Dresden demonstriert. Zwischen 100 und 300 von ihnen zogen anschließend zum Theaterplatz und versuchten, das Camp anzugreifen. Tätliche Übergriffe konnten die Polizei und mehrere hundert Besucher eines Solidaritätskonzertes verhindern, nicht aber Rufe wie „Deutschland den Deutschen“.

Teilnehmer des Protestcamps hat diese nicht unerwartete Attacke aber weniger deprimiert als das Echo von Passanten. Ein Shitstorm des muffigen Dresdner Geistes sei zu spüren gewesen, berichten die Aktivisten. Offenbar liebe der Dresdner vor allem seine Ruhe und lehne jedes politische Gespräch in der Öffentlichkeit ab. Die Linken-Landtagsabgeordnete Anja Klotzbücher, die mit einem Infomobil vor Ort war, wollte nach mehreren Stunden schon entnervt aufgeben.

Dresden habe eine weitere Chance verschenkt, seinen Ruf zu korrigieren, sagte der Camp-Sprecher und Dresdner Anwalt Oliver Nießing. Das Angebot einer Verlegung des Camps auf einen anderen Platz wäre eine solche Geste gewesen. Ähnlich äußerte sich der Grünen-Fraktionsvorsitzende Volkmar Zschocke im Landtag. CDU und AfD begrüßten hingegen die Räumung, die Sachsens neuer Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) bereits tags zuvor gefordert hatte. Gegenüber dem MDR sagte er, Flüchtlinge hätten, verglichen mit denen des Zweiten Weltkrieges, in Deutschland ein „Luxusproblem“.

Für den heutigen Mittwoch hat nun die NPD eine Demonstration unter dem Motto „Dresden gehört uns“ angemeldet – ebenfalls auf dem Theaterplatz vor der Semperoper.