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Archiv-Artikel

Bilder aus der Keksdose

Studenten der Hochschule für bildende Künste arbeiten mit primitiven Lochkameras aus Keksdosen gegen die Belanglosigkeit der Bilderflut an. „Weniger kann mehr sein“ lautet die Maxime der Obscuristen. Eine Ausstellung zeigt nun die Werke von sieben Künstlern in der Wilhelmsburger Halle 13

VON JAN WEHBERG

Ein Haus wächst. Es erhebt sich langsam, als würde Luft in eine Gummihülle geblasen. Fast vollendet bleiben ein paar Falten um die Toreinfahrt im untersten Stockwerk erhalten. Gespanntes Warten und ein zäher Augenblick, bis sich auch die letzten Verwerfungen glätten möchten. Doch der Betrachter wartet vergeblich, fragt sich vielleicht, ob das Haus nicht eher in sich zusammensinkt.

Mit einfachen Keksdosen fängt der 26-jährige Kunststudent Rupert Kraft den Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg fotografisch ein. Sechs Dosen hat er im Gepäck – jede mit einem winzigen Loch im Deckel und einem Fotopapier auf dem Dosenboden. Camera Obscura nennt sich so ein einfacher Fotoapparat. Die Tiefe der Dosen entspricht der Brennweite, die Größe des Lochs der Blende. „Mit meinen Keksdosen bin ich völlig unabhängig von der Technik. Jeder Schritt liegt in meinen Händen“, sagt Kraft. Er benutzt zerknittertes Fotopapier, wodurch die eigentümlichen räumlichen Effekte entstehen.

Kraft gehört zur Gruppe der Obscuristen, die dieser altertümlichen Technik neues Leben schenken. Vor drei Jahren begannen Studenten der Hochschule für bildende Künste diese einfachen Obscuras einzusetzen. „Für mich ist das kein Kampf gegen die Technik, sondern gegen den Konsum“, sagt Anleiter Uli Schwedes. Es sei eine Absage an die inflationäre Bilderschwemme im digitalen Zeitalter. Jede Kamera enthält nur einen Film, ein einziges Fotopapier. So müsse im Kopf der Fotografen eine genaue Analyse der Szene erfolgen, die fotografiert werden soll. Das sei eine ganz andere Herangehensweise als beim Knipsen. Den Obscuristen ist wichtig, dass sie nicht als Botschafter einer vergangenen Zeit gesehen werden. Sie benutzen diese Geräte nicht, um den Aufnahmen ein Image der guten alten Zeit zu verleihen, sondern um sich der Belanglosigkeit der Bilderflut abzuwenden. Kraft sagt, das Spiel mit dem Licht schaffe viele Möglichkeiten und außerdem gebe es immer jede Menge Kekse.

Die Ausstellung „Wilhelmsburg in der Keksdose“ läuft bis zum 22. November in der Halle 13, Neuhöfer Str. 23