: Gasrebellen siegen für Deutschland
Wegen mangelnder Transparenz der Gaspreise kassierte das Oberlandesgericht Bremen gestern vier Preiserhöhungen des Bremer Energieversorgers SWB. Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung, jetzt droht bundesweit eine Prozesslawine
VON JAN ZIER
Es ist ein Präzedenzurteil, das die Bremer GasrebellInnen da erkämpft haben. Ein Erfolg, der sich zu einem Sieg der VerbraucherInnen über fast alle deutschen Energiekonzerne auswachsen könnte. Auch wenn das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen zunächst einmal nur für 58 KlägerInnen und Gas-KundInnen der Stadtwerke Bremen (SWB) gilt. Die drei Richter erklärten gestern vier Preiserhöhungen der SWB für unwirksam – wegen mangelnder Transparenz. Nicht der gesamte Vertrag, wohl aber die Teuerung entbehre der rechtlichen Grundlage, entschied das Oberlandesgericht und bestätigte damit ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Bremen vom Mai 2006.
Die Preisänderungsklauseln seien nicht transparent und präzise genug gewesen, hieß es zur Begründung – und deshalb nichtig. Zwar sei die SWB sehr wohl zu Preiserhöhungen berechtigt. Doch nur, wenn die Maßstäbe dafür deutlich nachvollziehbar seien. Doch genau das waren sie nach Ansicht der Richter nicht: Die VerbraucherInnen hätten im vorliegenden Fall keine Möglichkeit gehabt, die Preisgestaltung der SWB „im Einzelfall“ und „anhand öffentlich zugänglicher Quellen“ nachzuvollziehen. Diese Entscheidung ist bundesweit von Bedeutung, weil nach Angaben der Verbraucherzentrale mit der SWB auch die meisten anderen Energieversorger ähnliche Klauseln benutzen. Diese könnten nach Ansicht der Klagevertreter nun ebenfalls vor Gericht zu Fall gebracht werden – sollte das Urteil auch vor dem Bundesgerichtshof Bestand haben.
Die SWB hatte zwischen Oktober 2004 und Januar 2006 die Gaspreise um 1,54 Cent je Kilowattstunde auf 5,55 Cent erhöht – eine Steigerung um mehr als ein Drittel. Dabei stützte sich der Bremer Energieversorger auf seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach Teuerungen bei einer Steigerung von Lohnkosten oder Heizölpreisen zulässig waren. Dagegen legten einst fast 20.000 KundInnen Widerspruch ein, knapp 4.000 von ihnen behalten nach Angaben der SWB bis heute jenen Teil der Rechnung ein, den sie für zu hoch halten. Unternehmenssprecherin Marlene Odenbach verteidigte die Preiserhöhungen gestern noch einmal als „recht und billig“ – mit dem Hinweis, man habe seinerzeit nur die gestiegenen Bezugskosten an die KundInnen weitergegeben. Anderslautende Vorwürfe seien „unbegründet“, sagte Odenbach.
Ob die Gaspreise – wie die KlägerInnen behaupten – an sich „überzogen“ waren oder nicht, diese Frage ließen die Bremer Richter gestern ausdrücklich offen. Sie ließen sich – im Gegensatz zu anderen Gerichten bundesweit – auf eine so genannte „Billigkeitsprüfung“ der Preise gar nicht erst ein. Zugleich sahen sie sich außerstande, eine eigene, gerichtsfeste Preisklausel zu entwickeln. Die SWB sei nicht bereit gewesen, die dafür notwendigen Informationen zu liefern, so das Gericht zur Begründung. Der Energieversorger will seine Kalkulation nur dann offenlegen, wenn ein Gericht ihn dazu verurteilt. Das aber ist bislang nicht geschehen.
SWB-Vorstand Torsten Köhne findet das Urteil „sehr, sehr schade“ – nicht nur, weil es für die SWB um sehr viel Geld geht. Man könne und wolle nachweisen, dass die Gaspreise der SWB „fair“ gewesen seien. „Doch leider komme man in Bremen gar nicht erst dazu.“ Köhne kündigte deshalb Revision vor dem Bundesgerichtshof an.
Die VerbraucherschützerInnen begrüßten das Urteil als „großartigen Erfolg“. Irmgard Czarnecki von der Verbraucherzentrale Bremen sprach von einem „deutlichen Signal“ des Bremer Oberlandesgerichts – „gegen die Selbstbedienungsmentalität der Energiekonzerne“.