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Archiv-Artikel

„Es geht auch anders“

Das schlechte Abschneiden im ersten Klimaschutz-Ländervergleich sieht Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne) „vor allem als Handlungsauftrag“: 2009 soll Bremen die Energiewende vollziehen

REINHARD LOSKE, 48, ist Senator für Umwelt, Bau, Europa und Verkehr. Von 2002 bis 2006 war er stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion.

INTERVIEW VON BENNO SCHIRRMEISTER

taz: Herr Loske, mussten Sie bei der Umweltministerkonferenz wegen des Klimaschutz-Ländervergleichs von GEO mit Ihren Kollegen aus Hessen, dem Saarland und Rheinland-Pfalz am Katzentisch sitzen?

Reinhard Loske: Nein, dafür gab es keinen Anlass. In vielen Punkten haben wir ja auch gute Werte. Beim Nichtbau von Kohlekraftwerken sind wir sogar auf Platz eins.

Waren Kohlekraftwerke – die Genehmigung in Hamburg, der Nichtbau hier – Thema bei der Konferenz?

Darüber wird gesprochen, am Rande. Es sind viele Leute auf mich zugekommen, die haben mir gesagt: „Das ist eine tolle Entscheidung, damit verstellt ihr euch nicht die Energie-Zukunft, sondern habt die Möglichkeit, einen zukunftsfähigen, klimaverträglichen Pfad der Veränderung zu beschreiten.“

Und all denen sagen Sie: Sorry, das waren gar nicht wir, das hat unser lokaler Energieversorger so beschlossen?

Die Entscheidung der swb folgt ja unseren Argumenten aus dem Wahlkampf: Wir haben immer gesagt, ein Kohlekraftwerk ist nicht wirtschaftlich, und es schadet dem Klima. Wir nehmen da nichts im Nachhinein auf unser Konto, was uns nicht zusteht.

Sie können den 13. Platz im Ländervergleich auch als Bestätigung sehen…

Ja, diese Platzierung ist Ergebnis von 13 Jahren großer Koalition. Ich will nicht alles in Bausch und Bogen verurteilen. Zum Beispiel verkehrspolitisch und bei der Ansiedlung von Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien sind positive Akzente gesetzt worden. In meinem Ressort und in vielen anderen Teilen der Verwaltung gibt es viele engagierte Leute, die Bremen seit Jahren klimapolitisch nach vorne bringen wollen. Zudem muss man bei solchen Bilanzen immer vorsichtig sein: Dass der Osten so gut wegkommt, liegt ja daran, dass dort nach der Wende fast die ganze Industrie kollabiert ist. Und umgekehrt schlagen Sondermerkmale wie das Stahlwerk in einem kleinen Bundesland wie Bremen sofort voll durch. Aber eins macht der Vergleich offenkundig: Wir sind noch lange nicht gut genug. Wir können viel besser werden. Und das ist auch mein Ehrgeiz. Ich betrachte das, was da vorgelegt worden ist, vor allem als Handlungsauftrag.

In Bremen sind Sie für Ihre Klimaschutzpositionen bislang angefeindet worden. Sagen Sie den Kritikern jetzt: Ätsch, ich hatte Recht?

Das entspricht nicht meinem Naturell. Wir wollen, dass Bremen sich gut entwickelt. Und zu einer guten Entwicklung gehören überzeugende Konzepte im Bereich Klimaschutz, Energie, Lebensqualität. Wenn uns hier manche nahelegen, wir sollten das alles vergessen und zurück ins 20. Jahrhundert marschieren, wehren wir uns dagegen. Und zeigen: Es geht auch anders.

So schlecht wären Voraussetzungen hier ja nicht: Wenige Autos, viel Individualverkehr per Rad, viel ÖPNV…

Beim Verkehr sind wir deshalb sogar auf Platz eins unter allen Bundesländern, weil wir ein exzellentes System bei Radwegen und ÖPNV haben. Und dass wir Car-Sharing-Hauptstadt sind, hat die Studie gar nicht berücksichtigt. Was uns die Klimabilanz vermasselt, ist der Baubereich. Da sind wir auf Platz 16 – was Niedrigenergiehäuser betrifft, Altbausanierung, Wärmedämmung, den Einsatz erneuerbarer Energien und vor allem den Flächenverbrauch. Wir verbrauchen weit mehr Fläche als alle anderen. Das ist ein Riesenproblem.

Erstaunlich, wo Bremen so wenig Fläche hat.

Hier ist aber systematisch eine Politik gemacht worden, Unternehmen und vor allem Einzelhandel in der Peripherie anzusiedeln, statt im Zentrum. In Bremen werden nur 18 Prozent des Einzelhandels-Umsatzes in der Innenstadt erzielt. Deshalb setze ich stark auf Innenentwicklung.

Aber ausgerechnet bei den regenerativen Energien …?

… da sind wir momentan auch weit hinten. Das liegt daran, dass wir bestimmte Sachen noch nicht hinreichend gepusht haben. Aber wenn wir im kommenden Jahr das Weserkraftwerk realisieren, wovon ich ausgehe, dann bauen wir damit eine Anlage, die wirklich Demonstrationscharakter hat.

DER GEO-TEST

Bremens bisherige Klimaschutz-Bemühungen nennt das GEO-Magazin „mangelhaft“. Seit 1990 stagniere hier der CO2-Ausstoß. Zwar sei „verständlich“, dass sich Bremen „nicht durch Windparks profilieren kann“. Aber für die Energieverschwendung im Baubereich gebe es keine Entschuldigung. Schlechter als Bremen schneiden nur Hessen, das Saarland und Rheinland-Pfalz ab. TAZ

GEO 12 / 2007: Handeln nach dem Klimaschock, 238 Seiten, 6 Euro

Dabei steht Bremerhaven doch für Windkraft: Die Forschungen senken weltweit den CO 2 -Ausstoß – bloß nicht in Bremen?

Das ist durchaus ein methodisch fragwürdiger Punkt im GEO-Papier: Dass wir da einer der besten Standorte in Europa sind, findet in der Studie gar keinen Niederschlag. Aber grundsätzlich ist unser Öko-Strom-Anteil viel zu niedrig: Unser örtlicher Energieversorger hat weniger als zwei Prozent Anteil erneuerbarer Energien – es gibt kaum eine deutsche Großstadt, wo der so gering ist. Das muss sich ändern. Da können und wollen wir etwas machen.

Sie müssen nur den Strom-Anbieter wechseln, oder?

Ich möchte bei der nächsten Gelegenheit auf 100 Prozent umweltverträglichen Strom umstellen. Unsere Verträge laufen bis Ende 2008, dann will ich ausschreiben. Und ich hoffe, dass unser örtlicher Energieversorger dann auch ein gutes Angebot macht.

Und das Kostenargument?!

Das öffentliche Beschaffungswesen hat eine Vorbildfunktion. Das gilt auch für die energetische Optimierung öffentlicher Gebäude. Der Staat kann nicht ständig vom Klimaschutz reden und im eigenen Verantwortungsbereich nichts machen. Wir müssen zeigen, dass es uns Ernst ist.