„Heute völlig vergessen“

VORTRAG Die weiblichen Ursprünge der Rockmusik werden in Wort, Ton und Video beleuchtet

■ 35, ist Gründerin des Labels „Emancypunx“, Fotografin und Kuratorin des „Raw Cut“-Filmfestivals in Warschau

taz: Wie viele Rockmusikerinnen aus den Zwanziger Jahren fallen Ihnen ein, Frau Ramme?

Jenni Ramme: Ziemlich viele. Oftmals gibt es aber keine Aufnahmen oder andere Dokumente, die erhalten geblieben sind.

Gerade die Anfänge der Rockmusik werden meist mit Männern verbunden. Warum spielen Frauen da kaum eine Rolle?

Das hängt damit zusammen, wer in der Öffentlichkeit repräsentiert wird. Rock ‘n‘ Roll basiert auf Musik der schwarzen Unterschicht, Schwarze hatten aber schlechtere Chancen, veröffentlicht zu werden und Rhythm ‘n‘ Blues galt bisweilen als „Teufelsmusik“. Sowohl Frauen als auch Schwarze wurden aus der Rockgeschichte gelöscht – vielfach wurden die ursprünglichen Songs einfach von Weißen gecovert. Zudem hat Schlagzeugspielen und die Art im Rhythm ‘n‘ Blues Gitarre zu spielen mit konservativen, weißen Weiblichkeitsvorstellungen gebrochen. Wenn man sich anguckt, welche Songs da zum Teil boykottiert wurden, ist das schockierend – heute würde es keinem auffallen, dass die Texte rebellisch sein sollen.

Welchen Pionierinnen soll heute wieder ein Gesicht verliehen werden?

Memphis Minnie etwa, eine US-amerikanische Bluesmusikerin (Foto). Sie zählte zu den ersten Frauen, die eine elektrische Gitarre verwendeten. Sehr wichtig ist auch Sister Rosetta Tharpe, die aus der Gospelmusik kommt, damals ein riesiger Star war und heute völlig vergessen ist.

Hat sich die Lage mit Aufkommen der Girl-Groups in den Sechzigern gebessert?

Nein, zumal es ganz wenige Bands gibt, bei denen Frauen dann die Instrumente spielten. Die Frauen war zwar präsenter, zwischen 1960 und 1966 gab es etwa 750 Girl-Groups – aber viel zu sagen hatten sie in der Musikindustrie nicht. Int.: Jan Zier

„My angry strings“: 19.30 Uhr, Spedition, Belle Etage, Güterbahnhof