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Archiv-Artikel

Elbsegler für den Kopf

WARM HALTEN Eigentlich ist der Hamburger Lars Küntzel Maschinenbauer. Jetzt macht er Mützen. Mit Schirm und Kordel

Wenn er schnell ist, schafft Lars Küntzel zehn Mützen am Tag

VON JOHANNA LEPERE

Wenn Lars Küntzel Mützen näht, hat er Ausblick auf San Francisco, die Dolomiten und Japan. In seiner Werkstatt in der Hamburger Steinstraße füllen Postkarten aller Kontinente eine ganze Wand; seine Kunden haben sie ihm geschickt. Die sind viel unterwegs, als Lastwagenfahrer, Seemänner und Lokomotiven-Liebhaber – und sie tragen Küntzels handgefertigte Mützen.

Schon das kleine Schaufenster seines Ladens erzählt Geschichten. Mützen namens „Altona“, „Kiel“ oder „Elbsegler“ liegen da. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich kaum, aber jede ist anders. Da sind Mützenschirme mit doppelter oder einfacher Kordel. Manche bestehen aus Plastik, andere aus Stoff.

„Mein Publikum mag das Traditionelle, die kommen nicht hierher um sich ’ne flotte Wollmütze zu kaufen“, erzählt der Mützenmacher. Und dann, mit einem Schmunzeln: „Stricken kann ich sowieso nicht.“ Ein Gang durch seine Werkstatt zeigt, dass es darum auch nicht geht. Da hängen Schablonen in verschiedenen Kopfgrößen. Außerdem runde Drähte, um die Mütze in Form zu halten.

Gerade dreht er die „Hiddenseer Mütze“ in den Händen – das exotischste Stück unter seinen 18 Modellen, findet er. Als Zusatz hat die ansonsten schlichte Seemannsmütze einen großen Bommel obendrauf. Das sei nichts für seinen eigenen Kopf, sagt Küntzel. Er bleibt lieber beim „Fleetenkieker“. „Den kann man so gut nach vorne ziehen.“

Eigentlich ist der 44-jährige Hamburger Maschinenbauer. „Mein Vater und ich haben in diesem Laden, der früher den Eisenbergs gehörte, oft Mützen gekauft. Und dann hab ich irgendwann als Lehrling hier angefangen.“

Die Eisenbergs führten den Laden schon seit 1892. Zwei Schwarzweiß-Fotos im Verkaufsraum zeigen, wie es früher aussah. Viel hat sich nicht geändert: Auch in der heutigen Werkstatt des Mützenmachers stehen noch die alten Nähmaschinen von der Firma Pfaff. Sie sind 90 Jahre alt und funktionieren einwandfrei. „Wenn ich richtig schnell bin, schaffe ich zehn Mützen pro Tag“, erzählt Lars Küntzel, nebenbei näht er ein Schweißleder ein. „Die Mützenschirme sind aus Pressstoff; die sind mit der Hand genäht, dann sitzen sie besser.“ Man sieht, dass das Nähen Kraft kostet, er muss ordentlich zudrücken, damit sich die Mütze biegt.

Die Türglocke schellt, ein Mann mit Wollmütze betritt den Laden. Unglücklich zieht er sie vom Kopf und gesteht: „Ich brauch’ mal was Neues, die trag’ ich schon ewig. Man muss sich ja auch mal entwickeln, nich’?“

Küntzel mustert ihn kurz und zieht eine schwarze Schiebermütze aus dem Regal. Sie passt sofort. Trotzdem probiert er noch einen Hut und schaut zum Mützenmacher. Der ist ehrlich: „Nö, das is’ nix.“ Der Kunde dankt’s ihm. Er kauft die Mütze.