: Gülden gerührt
GELB Farbe des Neids und der Maden. Was sich daraus kochen lässt? Monochromes Dinner, Teil 1
■ Kürbis-Ingwer-Suppe: Eine Zwiebel, eine Chilischote, etwas Ingwer und einen Kürbis klein hacken, in Öl anrösten, mit Brühe aufgießen, weich kochen, pürieren, mit Kokosmilch abschmecken, würzen, aufessen.
■ Curryhähnchen mit Zitronenrisotto: Hähnchenschenkel salzen, mehlen, anbraten und in einer Auflaufform mit Curry bepudern. Bratfett, reichlich Brühe und etwas Kürbis dazu und im Ofen garen. Ein Risotto kochen, mit Parmesan und Zitronenabrieb verfeinern, auf den Teller damit. Hähnchenschenkel dazu, lecker.
■ Apfelcrumble: Apfelstückchen mit Zucker, Zitronensaft und etwas Weißwein marinieren. Butter, Mehl, Zucker und Nüsse vermengen und zu Streuseln zerbröseln. Alles in einer Auflaufform goldgelb backen, Eis oder Vanillesoße dazu, nomnom.
TEXT PHILIPP BRANDSTÄDTER FOTOS DAVID OLIVEIRA
Dieser Kürbis macht krank. Erst dauerte die Suche nach ihm zwei Tage, weil es so einen richtig strahlend gelben Kürbis nicht überall gibt. Stattdessen immer nur der Hokkaido, der aus den Gemüseregalen in allen Rottönen hervorleuchtet. Penetrant. Und liegt der gelbe Artgenosse dann endlich auf der Schlachtbank, rutscht das Küchenmesser hilflos an ihm ab.
Steinhart. Die Brotsäge bleibt noch in der Schale stecken. Granitgemüse. Das Ding will sich einfach nicht zerstückeln lassen, nicht einmal die gute alte Machete kriegt den Kürbis klein. Die halbe Zubereitungszeit vergeigt. Von nun an ist schwindelerregendes Tempo gefragt.
Der Plan: ein adventliches Festmahl zubereiten. Vorspeise, Hauptgang, Dessert, auf den Punkt serviert, für eine sympathische Jury, die jedoch jeden Fauxpas mit Minuspunkten abstraft. Die Bedingung: Es wird monochrom gekocht, also einfarbig. Über den Tellerrand des bloßen Geschmackssinns hinaus gedacht.
Den Anfang mache ich, und zwar in der weihnachtlichen Farbe Gold, na ja, eher Gelb, bis hin zu Orange vielleicht, denn: Jury mit Edelmetall bestechen widerspricht dem Regelwerk. Auf dem Raschelweg durch goldgelbes Laub habe ich meine goldgelben Einkäufe in die Wohnung geschleppt und mich um einen meditativen Zugang zu der gewünschten Farbe bemüht. Mir ist keiner eingefallen. Gelb hat mit Neid zu tun, der universalen Todsünde. Gelb ist eine vergiftete Farbe. Schwefel. Eiter. Atommüll. Orange dagegen soll helfen, Entscheidungen zu treffen und das emotionale Gleichgewicht zu finden. Hab ich mal gelesen.
Ob die Jury bei Goldgelb an die gleiche Farbe denkt wie ich? Mein begrenztes Farbspektrum kennt keinen Unterschied zwischen Reinorange und Signalorange und Safran und Ocker. Ob dieser Abend gelingen kann? Der Zweifel weicht dem Zeitdruck. In einer Stunde wird aufgetischt.
Weniger denken, mehr machen. Wie blöd auf Zwiebeln, Chili und Ingwer einhacken, anrösten und umrühren und alles weich kochen. Parallel die Mango schälen, Äpfel schneiden, in Zucker und Weißwein marinieren, eine Zitrone abreiben und filetieren, zu Weihnachten wünsche ich mir einen Satz Extrahände.
Die hätten nämlich zeitgleich ein paar Hähnchenschenkel goldgelb angebraten und in einem köchelnden Mango-Kürbis-Fond planschen lassen, den Apfel-Crumble-Nachtisch gezaubert, fix den Kürbis zur Suppe püriert, das Risotto aufquellen lassen, es mit Parmesan und Zitronenabrieb verfeinert, im Duden nachgeschlagen, ob es der oder das Risotto heißt, und vielleicht eine Dose Mandarinen für den Nebenbeiverzehr geöffnet. Doch so muss es Schritt für Schritt gehen. Und das tut es auch.
Als ich meine Kreationen probiere, fällt auf, dass ein kleines Detail fehlt: der Geschmack. Muss wohl beim Schnippeln vom Küchenbrett gerollt sein. Ich habe vor allem an den Farbton gedacht, ihn mit Curry und Kokosmilch ausbalanciert. Aber: miserabel gewürzt. Das geht jetzt nur noch mit Salz und Pfeffer. Und Knoblauch. Kräuter sind zu grün für Gelb.
Der Fotograf kommt rein und gerät in Panik. Was ist denn das für ein Motiv! Viel zu kontrastarm! Ein Hauch von Unruhe überkommt mich. Wenn schon die Suppe so eintönig schmeckt, wie sie aussieht, was soll den Abend noch retten? Die Horrorvision: Die Gäste kommen nicht, sie ahnen, welch kulinarische Katastrophe sie erwartet. Der Kram verkocht zu goldgelbem Einheitsbrei, klebt fest, brennt an, wird kalt, verschimmelt, verwest. Eklige gelbe Maden auf ekligem gelben Küchenabfall.
Doch aus einem Schicksalsgefüge, das ich bis zuletzt nicht richtig fassen kann, kommt es dann doch anders. Die Jury ist nur leicht verspätet und raucht und trinkt sich exakt so lange im Flur fest, bis sich die Suppe von allein zu einer aromatischen, ingwerscharfen Vorspeise reduziert hat und die Hähnchen gegart sind. Der Nachtisch: ein gern angenommener süßer Abschluss zwar, aber zugegeben ein simpler Abstauber. Leute, die keinen Crumble können, lassen auch das Wasser anbrennen.
Während ich zitternd die Teller abräume und mir einrede, dass es nun keinen Grund mehr für Nervosität gibt, vertieft sich der monochrome Experimentierclub in ein angeregtes Gespräch. Beim zweiten oder dritten Glas fällt mir wieder ein, dass ein perfektes Dinner nullkommagarnicht vom Essen, sondern von den lieben Menschen abhängt, die zu Besuch kommen.
Und so endet mein goldgelber Abend erst um fünf Uhr morgens, gemeinsam mit einem Jurymitglied und einem pappigen Cheeseburger – in den neonerhellten Räumen eines goldgelben „M“. M wie: monochrom.
■ Der Test: Ob das nächste monochrome Dinner gelingt, erfahren Sie in der sonntaz am zweiten Advent. Der wird: schneeweiß.