Festival der Freien

Zum dritten Mal präsentiert das Festival „150prozent made in hamburg“ Produktionen aus der freien Hamburger Theaterszene. Vier Tage lang gibt es Theater, Performances, Multimedia-Inszenierungen und Lesungen – an diesmal schon fünf Spielorten

Jedes Jahr kommen zwei Spielorte dazu. Die erste Ausgabe des Festivals „150prozent made in hamburg“ im Frühjahr 2005 fand noch ausschließlich im Hamburger Sprechwerk statt. Dessen Gründer Andreas Lübbers rief das Festival zusammen mit Torsten Diehl von Dachverband Freier Theaterschaffender Hamburg vor knapp drei Jahren ins Leben, um der freien Theaterszene der Stadt einen Identität stiftenden Ort zu geben. Einen Ort zur zwanglosen Präsentation von Projekten, die nicht in vorgefertigte dramaturgische Konzepte passen, und einen Ort zur Vernetzung.

Ein gutes Jahr später gab es der Orte zwanglosen Treffens und Aufführens dann schon drei. Auch im Monsun-Theater und auf Kampnagel eiferten Theaterproduktionen und Performances um die Gunst des Publikums. Dieses Jahr nun sind noch einmal drei Orte dazugekommen. Auch in der Opera Stabile der Staatsoper, dem Kulturhaus III&70 und dem Harburger Consortium präsentiert sich die freie Szene in diesem Herbst. Nicht mehr dabei ist Kampnagel.

Eröffnet wird das Festival heute Abend im Kulturhaus III&70. Nach der obligatorischen Lobrede einer KulturbehördenvertreterIn stellt sich im Science-Fiction-Dschungelcamp-Drama „Jim, Jack, Bob und Katie und das Tier“ des Hamburger Regisseurs Henning Fritsch ein Forscherteam auf einer einsamen Insel in der Zukunft einem großen Auftrag. Schwierige Bedingungen und emotionale Verwirrung lassen das Gefühl aufkommen, festzustecken und keine Ausweg mehr zu haben. Eine Situation, die sich oft nur mit einem gewaltsamen Lied klären lässt. In Berlin war das Publikum begeistert, nun ist das Stück zum ersten Mal in Hamburg zu sehen.

Gernot Grünewald und Lisa Stiegler studieren seit Anfang des Jahres an der Theaterakademie Hamburg. Ihre Arbeit „hildegardsgarten“, die heute Abend als Zweites zu sehen ist, ist auf der Grundlage eines halbstündigen Tonbandprotokolls aus dem ersten Frankfurter Auschwitzprozess entstanden und ist der Versuch einer fragenden Annäherung an die Biografie einer Zeugin der Menschenvernichtung in Auschwitz. Gemeinsam mit ihrem Mann, der die Gaskammern und Krematorien baute, lebte Hildegard direkt neben dem Vernichtungslager. Als „eine von uns“ ist sie dabei, ohne beteiligt zu sein, mordet durch Schweigen. Eine Mitwisserin, die niemals nachfragte.

Ebenfalls an der Theaterakademie Hamburg Regie gelernt hat Julia Hölscher. Und das erfolgreich. Im Frühjahr wurde sie vom „Körber Studio Junge Regie“ als beste Nachwuchsregisseurin ausgezeichnet, für ihre Inszenierung „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ nach dem Drehbuch von Aki Kaurismäki. Im Rahmen des Festivals hat sie nun mit einer Produktion des schauspielhannovers einen kleinen Schritt nach Westen gemacht, hinter die schwedisch-finnische Grenze, und sich Mikael Niemis halb-autobiografischen Bestseller „Populärmusik aus Vittula“ vorgenommen: Holger Bülow träumt in der Rolle des jungen Matti davon, die Abgeschiedenheit seines kleinen nordschwedischen Dorfes hinter sich lassen zu können – und gründet mit seinem schweigsamen Freund eine Rockband.ROBERT MATTHIES

Do, 22. 11.–So, 25. 11. in Opera Stabile, Kleine Theaterstraße 1; Kulturhaus III&70, Schulterblatt 73; Monsun-Theater, Friedensallee 20; Hamburger Sprechwerk, Klaus-Groth-Straße 23; Consortium, Neue Straße 55; www.festival150prozent.de