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Archiv-Artikel

press-schlag Gene Kelly am Spielfeldrand

Nach dem Aus in der EM-Qualifikation schwanken englische Zeitungen zwischen Trauer und Wut

Natürlich ist Englands verpatzte Qualifikation für die Fußball-Europameisterschaft im nächsten Jahr Titelthema in der gesamten englischen Presse. „Vergesst die 25 Millionen, deren Daten verloren gegangen sind“, schreibt der Telegraph in Anspielung auf die verschwundenen Daten sämtlicher Kindergeldempfänger. „Eine ganze Nation hat ihre Identität im Wembley-Stadion verloren.“ Der Mirror titelte apokalyptisch in Riesenlettern: „Das Ende“. Am lautesten tobt, wie immer, die Sun. Das Boulevardblatt hatte vorigen Samstag an der Klagemauer in Jerusalem einen Bittbrief angebracht, in dem sie um göttlichen Beistand für Israel im Spiel gegen Russland bat. Man wäre ja schon mit einem Unentschieden zufrieden gewesen, aber dass Israel in letzter Minute sogar gewann und England dadurch gute Aussichten auf die Qualifikation hatte, führte die Zeitung auf ihren Brief zurück.

Umso größer die Wut, dass man sich die Mühe der Jerusalemreise vergeblich gemacht hat. Einer der Sündenböcke ist Torwart Scott Carson. Lediglich der Guardian konstatiert lakonisch, dass die englische Mannschaft eben nicht gut genug sei.

Einig sind sich aber alle, dass der geschasste Trainer Steve McClaren wegen taktischer Unfähigkeit und stümperhafter Personalpolitik die Hauptschuld trägt. Die Daily Mail ist besonders empört darüber, dass McClaren mit einem Schirm am Spielfeldrand stand, während Kroatiens Slaven Bilic im Regen herumhüpfte. McClaren kam sich offenbar vor wie Gene Kelly mit „Singing in the rain“, höhnte die Sun. Als ob ein nasser Trainer das Debakel verhindert hätte. Manche Zeitungen wünschen sich sogar die Rückkehr von Sven Göran Eriksson, McClarens Vorgänger, der damals von Medien und Fans zum Teufel gewünscht wurde und nun recht erfolgreich Manchester City trainiert.

Durch die Pleite gehört England nicht mehr zu den Top-Teams in Europa, was am Sonntag für der Auslosung der Qualifikationsgruppen zur Weltmeisterschaft in Südafrika 2010 Folgen hat. England muss nun mit mindestens zwei starken Gegnern rechnen. „Jede Mannschaft, die uns zugelost wird, ist eine Gefahr für uns“, stöhnte die Sun.

Bei der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz spielt kein einziges Team von den britischen Inseln mit. Damit die Fans nicht darben müssen, erwägt man, im kommenden Sommer ein Inselturnier auszutragen. Der Gewinner darf sich dann „Einäugiger unter den Blinden“ nennen. RALF SOTSCHECK