Dicke Luft in Oldenburg

Beim Thema „ECE-Einkaufszentrum“ wallen in Oldenburg die Emotionen auf. Vor allem, wenn es um die Rolle von Bürgermeister Schwandner geht. Nun gibt es die erste Klage gegen das Bauvorhaben

VON FELIX ZIMMERMANN

Grobe Schätzung aus dem Oldenburger Rathaus: Das Thema ECE-Einkaufscenter interessiere „nur noch 28 Leute“. So sagte es Oberbürgermeister Gerd Schwandner neulich, da waren es noch wenige Tage bis zur Ratssitzung, in der der Bebauungsplan endgültig beschlossen wurde. Dass die Stadt bereits einen Tag später der ECE die Baugenehmigung erteilte, sorgte vor allem bei den Ratsmitgliedern der Grünen für Empörung. Das wären schon elf Menschen, die sich immer noch für das ECE interessieren, aber es dürften noch viel mehr sein, die Zweifel daran haben, dass es gut ist, wenn um die Jahreswende 2010 / 11 ein Shopping-Klotz des Hamburger Einkaufscenter-Finanziers, -Erbauers und -Betreibers mit 90 Läden am Rande der Fußgängerzone neben dem Schloss eröffnet wird. Das Thema bewegt die Stadt. Wo immer es zur Sprache kommt, wallen die Emotionen auf.

Vor allem, wenn es um Schwandners Rolle geht: Der war kurz vor der Kommunalwahl 2006 überraschend von der CDU aus dem Hut gezaubert worden und ging – in Konkurrenz zu Amtsinhaber und ECE-Befürworter Dietmar Schütz (SPD) – als vehementer ECE-Gegner in den Wahlkampf. Er werde, so versprach der Ex-Grüne, den „Koloss am Schloss“ verhindern, wurde mit knapper Mehrheit und Unterstützung der Grünen gewählt – und wandelte sich Wochen später zum ECE-Befürworter. Kein Wunder, dass er das Thema kleinreden will. Es ist ein dicker Makel namens Wahlbetrug in der Bilanz seiner einjährigen Amtszeit. Er selbst will die ungetrübt schildern. Dass das Center doch kommt, deutet er als politischen Erfolg: Schließlich sei es deutlich kleiner und zumindest optisch gegliedert, also kein Klotz mehr. Das stimmt nur in etwa: Die Geschossfläche zum ursprünglichen ECE-Plan ist von 36.000 auf 33.500 Quadratmeter minimal gesunken, die Fassade zum Schlossplatz ist durch Einschnitte gegliedert, das Center aber weiterhin aus einem Guss.

Besonderes Interesse findet das ECE vor allem bei einem Anlieger eines benachbarten Viertels, der jetzt juristisch gegen den Bebauungsplan vorgeht. Dass er dabei von der Anwaltskanzlei des früheren Oldenburger CDU-Oberbürgermeisters Heinrich Niewerth vertreten wird, dessen Tochter CDU-Ratsfrau ist und für das Center gestimmt hat, ist eine hübsche Fußnote. Nicht weniger pikant ist, dass die Klage starke Unterstützung auch bei Friedrich-Wilhelm Wehrmeyer findet, ebenfalls CDU-Mitglied, Anführer des ECE-Gegners Bündnis lebendige Innenstadt und Mitglied im CDU-Kreisvorstand. Dessen Vorsitzender, Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU), hatte Schwandner nach Oldenburg geholt. Stratmann war aus wahltaktischen Gründen gegen das Center, schwenkte um – und trifft nun bei Sitzungen auf Wehrmeyer, der aber guten Gewissens ist: „Ich setzte nur unser Wahlprogramm um. Da steht drin, dass wir das ECE verhindern wollen.“

Rechtsanwalt Heinrich Niewerth hat in einem Eilverfahren beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg für den Kläger beantragt, den Bebauungsplan vorläufig außer Vollzug zu setzen. Der Kläger sei durch das Bauvorhaben betroffen, da in unmittelbarer Nähe seines Hauses ein Parkhaus gebaut werden solle, um Stellplätze zu schaffen. Außerdem sei die Belastung durch Verkehrslärm und Abgase nicht berücksichtigt worden.

Sollte der Kläger Recht bekommen, würde das die detaillierte Prüfung des Bebauungsplanes zur Folge haben: Bei sämtlichen Gesichtspunkten müsste dann überprüft werden, ob die Stadt ausreichend zwischen den Interessen des Investors ECE und denen des Allgemeinwohls abgewägt habe. Niewerth wird dabei von einem Kollegen unterstützt, der bereits Erfahrung mit ECE hat: Wilhelm Achelpöhler aus Münster. Er war dort an einem Verfahren beteiligt, durch das ein Einkaufszentrum schließlich verhindert wurde. Achelpöhler vermutet hinter der eilig erteilten Baugenehmigung Strategie: „Das Einkaufscenter ist politisch gewollt, also versucht die Stadt der rechtlichen Überprüfung zu entgehen, indem sie versucht, schnell Fakten zu schaffen.“ Offenbar fürchte die Stadt Rechtswidrigkeit, deshalb sei schnell versucht worden, den Deckel darauf zu setzen.