: Erfahrung sichert Überleben
Die Gesundheitsbehörde prüft, zwei der fünf Hamburger Frühgeborenen-Intensivstationen zu schließen. Die Krankenhausgesellschaft will aber alle Perinatalzentren weiterbetreiben
VON ELKE SPANNER
Die Gesundheitsbehörde erwägt, zwei der derzeit fünf Intensivstationen für früh geborene Babies an Hamburger Kliniken zu schließen. Sie hat einen entsprechenden Prüfauftrag erteilt. Bis 2009, wenn der aktuelle Krankenhausplan für die Stadt fortgeschrieben wird, soll entschieden werden, ob die Perinatalzentren im Marienkrankenhaus und der Asklepios-Klinik Nord weiterbetrieben werden. „Wenn es zu viele Frühgeborenenstationen gibt, haben die einzelnen zu wenig Fallzahlen“, sagt Behördensprecher Hartmut Stienen. „Das wirkt sich nachteilig auf ihre Qualität aus.“
In Hamburg gibt es um die 19.000 Geburten im Jahr. Für die Frühgeborenen und kranken Neugeborenen darunter bieten die Krankenhäuser fünf Perinatalzentren an: In der Uniklinik UKE, dem Krankenhaus Altona, in der Asklepios Klinik Barmbek sowie im Marienkrankenhaus und dem Klinikum Nord. Die Gesundheitsbehörde geht davon aus, dass für die Versorgung der kleinen Patienten aus Hamburg und Umland auch drei Stationen ausreichen könnten. „Je mehr Fälle die einzelnen Perinatalzentren behandeln, desto mehr Erfahrung haben sie“, sagt Sprecher Stienen. „Umso besser ist dann die Versorgung.“
Die Überlegung, zwei Intensivstationen zu schließen, geht einher mit Diskussionen innerhalb des „Gemeinsamen Bundesauschuss (GBA)“ aus Kliniken, Krankenkassen und Ärzteschaft. Im Jahr 2005 hat der GBA die aktuellen Richtlinien für Frühgeborenenstationen vorgelegt. Danach gibt es vier verschiedene Stufen der neonatologischen Versorgung: In den Perinatalzentren Level 1 werden die Patienten mit dem höchsten Risiko behandelt. Nach entsprechenden Abstufungen haben das unterste Level 4 dann die Geburtskliniken, in denen nur reife Neugeborene ohne bestehendes Risiko zur Welt kommen. Bislang hängt die Zulassung einer Frühgeborenenintensivstation nach Stufe 1 beispielsweise davon ab, ob diese von einem spezialisierten Neonatologen geleitet wird, ob Kreißsäle, Operationssaal und Intensivstation Wand an Wand liegen, ob die Abteilung über mindestens sechs neonatologische Intensivtherapieplätze verfügt, dort eine 24-Stunden-Betreuung gewährleistet ist und mindestens 40 Prozent Krankenpfleger auf der Station sind, die eine Weiterbildung in pädiatrischer Intensivpflege haben.
Diskutiert wird im GBA aber, zusätzlich eine Mindestzahl an jährlichen Behandlungen festzulegen, die eine neonatologische Klinik durchführen muss. Solche Mindestfallzahlen gibt es beispielsweise schon bei Brustzentren: Als solches wird nur eine Klinik anerkannt, die pro Jahr mindestens 150 erstdiagnostizierte Fälle operiert, wobei die auf gut- und bösartige Tumoren spezialisierten Chirurgen mindestens 50 der Operationen selbst durchführen müssen.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat bereits 2003 die Einführung von Fallpauschalen auch für Perinatalzentren angeregt. Babys mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500 Gramm sollten dann nur noch in Kliniken entbunden werden dürfen, die pro Jahr mindestens 50 solcher Risiko-Frühgeburten betreuen. Denn wissenschaftlich ist belegt, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen der Anzahl der Risikogeburten und den Behandlungserfolgen: Je erfahrener die Ärzte und je höher die Zahl der Fälle, desto größer die Überlebenschance der Kinder. Die Unikliniken in Tübingen, Ulm und Freiburg sowie die Stuttgarter Kinderklinik haben eine gemeinsame Studie vorgelegt, nach der die Sterblichkeit von Kindern, die vor der 26. Schwangerschaftswoche geboren werden, in kleinen Kliniken mehr als doppelt so hoch ist wie in großen Häusern mit großen Neonatologien.
Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft (HKG) aber will die derzeit fünf Spezialabteilungen weiterbetreiben. Der Qualitätsstandard sei in allen gleichermaßen hoch, sagt HKG-Sprecher Stefan Moes. „Wir möchten das, was wir können, auch anbieten“. Welchem Krankenhaus sich Schwangere mit Risikogeburten anvertrauen, solle der Wettbewerb zwischen den Kliniken entscheiden. Mit der Schließung der Frühgeborenenstationen im Marienkrankenhaus und der Klinik Nord würde die Behörde Strukturen zerstören, „die sich bei der Versorgung der kleinen Patienten bewährt haben und von den Eltern nachgefragt werden“.