Daniél Kretschmar hört auf den Sound der Stadt

Gleich vier Konzerte in der vergangenen Woche blieben unbesucht. Die Grippe hatte zugepackt. An den Besuch von lauten, mit Menschen befüllten Ballsälen war im Traume nicht zu denken. Tee und Wärmflasche statt Champagner und Seidenleibchen, Paracetamol statt Absynth, Melancholie statt Charleston – so lautete das unberufene Urteil des vaganten Virengerichts. Der kranke Körper und die leidende Seele wollten umschmeichelt werden, und so wurden die Dienstboten angewiesen, das Grammophon gar kräftig anzukurbeln. Bald swingten die Mills Brothers stimmungshebend durch die Hallen. Das schwache Herz fand selbst an Johannes Heesters’ Operettentenor seine Freude. Obwohl der recht eigentlich nie so herausragend war …. Nicht dass Jopi sich dessen nicht bewusst wäre. Natürlich wurde er von Fremden nicht gerne darauf angesprochen, aber beim gemütlichen Traminer hat er so manches Mal zu später Stunde unsere Runde mit Anekdoten erheitert und unumwunden zugegeben, dass andere besser sangen als er, „allerdings nie so gut aussahen“. Unbenommen, altes Haus, unbenommen. Wie es dem Schwerenöter wohl gehen mochte? Seit zwei Jahren schon soll er vollständig erblindet sein, was hinreichend Erklärung dafür wäre, dass er nicht mehr anruft. Derweil hält mich nur die Angst vor Schwächeanfällen und der damit verbundenen Gefahr des Ertrinkens davon ab, ein symptomlinderndes Erkältungsbad zu nehmen. Aber, so sagt der Advokat, in den nächsten Tagen soll es aufwärts gehen, vielleicht reicht die Kraft sogar, heute dem jungen Chansonnier Jens Friebe und seiner Allstar-Combo Half Girl zu lauschen. Oder dazu, jenen jungen wilden, formaler Kleidung abholden Herren der Gitarrengruppe Dyse zuzuschauen? Ganz sicher aber auf den Beinen werden wir am Sonntag für den Bänkelsänger Stoppok sein. Zweifellos.

■ Half Girl: 2. 12., Kingkongklub

■ Dyse: 2. 12., Festsaal Kreuzberg (unplugged: 3. 12., Theaterkapelle)

■ Stoppok: 4. 12., BKA Theater (Sitzkonzert)