„Anders“ sein dürfen

betr.: „Was heißt hier ‚geistig behindert‘“? taz vom 21. 11. 07

Als Pflegemutter eines definitiv geistig behinderten – und nicht „anders fähigen“! Kindes ärgert mich das derzeit moderne Integrationsgerede wohlmeinender Theoretiker, Gutmenschen und gekränkter Eltern. Ich bin froh, dass mein Kind die Sonderschule der Lebenshilfe besuchen kann, wo es sich die Aufmerksamkeit engagierter Lehrer- und Erzieherinnen nur mit 9 und nicht mit 29 anderen Kindern teilen muss, wo es geliebt und anerkannt wird, auch wenn es nicht leistungsfähig ist, und wo es deswegen nicht immer am Rande steht, wie im Kontakt mit „normalen“ Kindern, die es mit seinen Verhaltensweisen immer nur nervt.

Dem gesamtgesellschaftlich steigenden Leistungsdruck (zum Beispiel an Gymnasien), der alle ausgrenzt, die nicht mithalten können, kann man nicht durch Delegation des Problems an die Schulen oder Integrationsappelle begegnen. Es muss vielmehr Räume geben, wo sich Menschen ungeachtet ihrer Leistungsfähigkeit entfalten können und „anders“ sein dürfen. Die Umbenennung nützt dem Sonderschüler wenig, wenn er nach der Schule auch als Andersfähiger keine Arbeit findet. HEIKE RICHARTZ, Greussenheim