piwik no script img

Archiv-Artikel

Klageprivilegien locken kaum

WELTHANDEL Nach Deutschland fließt nur wenig Geld aus den Ländern, mit denen bereits Investitionsschutzabkommen abgeschlossen wurden

BERLIN taz | Eines der zentralen Argumente der Befürworter des umstrittenen Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den USA läuft ins Leere: Anders als die TTIP-Verfechter glauben machen wollen, sind Investorenschutzverträge kein starker Anreiz für ausländische Geldgeber, nach Deutschland zu kommen. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag.

Danach kamen 2012 von den rund 597 Milliarden Euro an Direktinvestitionen aus dem Ausland nur 7 Milliarden Euro aus Ländern, mit denen Deutschland bereits Investitionsschutzabkommen abgeschlossen hat.

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und USA sieht unter anderem vor, dass Investoren Staaten vor Schiedsgerichten verklagen können, wenn sie zum Beispiel durch ein Gesetz ihre Rechte verletzt sehen. Die Entscheidungen sind rechtsgültig. Befürworter behaupten, dass diese Regelung ausländische Geldgeber zu Investitionen ermuntert. Kritiker monieren, dass Konzerne mit Hilfe von Schiedsverfahren nationales Recht außer Kraft setzen können.

Eine TTIP-Erfindung sind Schiedsgerichte nicht: Deutschland hat mit 129 Staaten Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen. Davon sehen 85 Verträge vor, dass Unternehmen gegen den Staat klagen können. Die Direktinvestitionen aus diesen Ländern stiegen von 2003 bis 2012 von 3,9 Milliarden Euro auf 7,4 Milliarden Euro. Dagegen schwoll der Geldfluss aus Ländern ohne ein solches Abkommen im selben Zeitraum von 308,5 Milliarden Euro auf 590 Milliarden Euro an.

„Es ist völlig schleierhaft, aus welchem Grund überhaupt Investor-Staat-Schiedsverfahren mit weiteren Staaten abgeschlossen werden sollen“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag Klaus Ernst. „Die Bundesregierung riskiert ohne Not und sehenden Auges weitere Millionen-Klagen auf Kosten des Steuerzahlers.“ Der schwedische Energiekonzern Vattenfall klagt zum Beispiel gegen Deutschland wegen des Atomausstiegs.

Die EU-Kommission will trotz anhaltender Kritik am TTIP-Investorenschutz festhalten. „Ich denke, das ist keine Frage des Ob, sondern eher des Wie“, sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström vor dem Handelsausschuss des Europäischen Parlaments in Brüssel. Nach ihren Vorstellungen sollen Regierungen eine Liste mit qualifizierten Schiedsleuten vorlegen, die zum Beispiel die Befähigung zum Richteramt haben. Außerdem könnte eine Revisionsinstanz für Schiedsverfahren eingeführt werden, die bei der Welthandelsorganisation angesiedelt werden könnte. Darüber hinaus stellte die schwedische Liberale einen Passus in Aussicht, der Klagen gegen Maßnahmen zur öffentlichen Daseinsvorsorge ausschließt. Im Frühjahr soll es ein offizielles Papier der Kommission dazu geben. ANJA KRÜGER