JOST MAURIN ÜBER DAS REGIERUNGSGUTACHTEN ZUR NUTZTIERHALTUNG : Tierische Ohrfeige
Das Tierhaltungs-Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik ist eine Ohrfeige für Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Denn die Experten, die die Behörde berufen hat, sagen zumindest zwischen den Zeilen: Die Tierschutzpolitik des seit zehn Jahren CSU-geführten Ministeriums taugt nicht viel.
Die Wissenschaftler fordern zum Beispiel neue, schärfere Gesetze, um der Tierquälerei in deutschen Ställen ein Ende zu setzen. Doch obwohl die Missstände schon lange bekannt sind, setzt Schmidt immer noch beispielsweise darauf, dass die Landwirte aus freiwilligem Ansatz heraus keinen Schweinen mehr die Ringelschwänze abschneiden. Aber die Branche macht überhaupt keine Anstalten, die Amputationen zu unterbinden.
Die Wissenschaftler verlangen sogar eine Strategie, die den Fleischkonsum senkt. Das Ministerium dagegen blockt solche Überlegungen konsequent ab. Angeblich, um die Verbraucher nicht zu bevormunden. In Wirklichkeit wohl eher, um nicht der Bauernverbands-Lobby auf die Füße zu treten, die Einbußen im vergleichsweise lukrativen Fleischgeschäft befürchtet.
Dass die Bürokraten kaum auf Tierschützer oder grüne Oppositionspolitiker hören, ist ja bekannt. Wenn nun aber sogar die eigenen Gutachter dem Ministerium derart die Leviten lesen, könnte das ein Zeichen der Hoffnung sein. Denn sich dem geballten Sachverstand eines guten Dutzends etablierter Professoren zu widersetzen, verlangt schon ein gehöriges Maß an Sturheit. Allerdings: Anders als angekündigt, nahm Schmidt die Studie bei ihrer öffentlichen Präsentation am Mittwoch wegen „Terminschwierigkeiten“ nicht persönlich entgegen. Und sein Stellvertreter kündigte keinerlei Änderung des Kurses an. Das lässt nichts Gutes ahnen.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 8