: Kein Sammelalbum
ARBEITSRECHT Was genau in einer betrieblichen Personalakte stehen darf, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Arbeitnehmer dürfen aber jederzeit Einsicht in ihre Akte nehmen
VON TILMAN VON ROHDEN
Die Meisten haben eine Akte X. Sie existiert, doch kaum jemand weiß, was drinsteht. Die Rede ist von betrieblichen Personalakten, die über praktisch jeden Mitarbeiter geführt werden.
Was eine Personalakte eigentlich ist, was sie genau enthalten darf und was nicht, ist nicht gesetzlich fixiert, doch gibt es eine Vielzahl von Vorschriften. Vorstellen kann man sich unter einer Personalakte eine Sammlung von Dokumenten rund um das Arbeitsverhältnis. Dazu zählen etwa der Personalbogen, der Arbeitsvertrag und sonstige Vereinbarungen. Auch ärztliche Gutachten, Zeugnisse oder Beurteilungen sowie die Ergebnisse von Personalgesprächen können in Personalakten niedergelegt sein.
Arbeitgeber müssen die gesammelten Dokumente so aufbewahren, dass Dritte ohne einen berechtigten Grund keinen Zugang zu den Akten haben. Dies geht aus dem Persönlichkeitsrecht und insbesondere aus dem Bundesdatenschutzgesetz hervor. In der Praxis führt dies dazu, dass selbst die Mitarbeiter der Personalstelle eventuell nicht die ganze Akte einsehen dürfen. Der Zugang zu sensiblen Daten, insbesondere Angaben zur Gesundheit, wird in der Regel durch Beiakten, Sonderakten oder verschlossene Briefumschläge kontrolliert. Wenn ein Arbeitnehmer seine Akte einsehen möchte – und dies ist jederzeit möglich –, muss ihm die gesamte Akte inklusive aller Nebenakten zur Einsicht ausgehändigt werden.
„Zum Streit über Personalakten kommt es, wenn überhaupt, wegen Konflikten am Arbeitsplatz, atmosphärischer Störungen oder disziplinarischer Maßnahmen“, sagt Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim DGB. In der Regel seien die Personalakten nur eine „Randerscheinung“ innerhalb der Auseinandersetzung. Sie habe in zehn Jahren Berufspraxis nur einen einzigen Fall erlebt, wo Inhalte der Personalakte ursächlich für einen Konflikt gewesen seien.
Arbeitgeber dürfen Abmahnungen in die Personalakte aufnehmen. Sollte sich ein Mitarbeiter ungerecht behandelt fühlen, kann er eine Gegendarstellung schreiben, die ebenfalls zu den Akten genommen werden muss. Will der Arbeitnehmer eine Abmahnung aus seiner Akte entfernt sehen, bleibt ihm nur das Gespräch mit dem Arbeitgeber oder eine Klage. Hat diese Erfolg, muss die Abmahnung aus der Akte entfernt werden.
Personalakten sind kein Sammelalbum. Dies ergibt sich aus dem Bundesdatenschutzgesetz, in dessen Paragraf 3 a „Datenschutz und Datensparsamkeit“ festgelegt ist, dass nur „so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen“ sind. Daraus könne, so Juristin Perreng, aber nicht abgeleitet werden, dass Arbeitgeber alle paar Monate sämtliche Personalakten systematisch durchforsten müssten. In der Praxis komme es dann zur Datenbereinigung, wenn ein Arbeitnehmer dies verlange.
Darüber, welche Daten für das Arbeitsverhältnis aktuell notwendig sind, lässt sich trefflich streiten. Für Abmahnungen gilt, dass sie in der Regel nach rund zwei Jahren aus der Akte gelöscht werden müssen. Unrichtige oder nicht zulässige Daten müssen unmittelbar nach dem Bekanntwerden gelöscht oder korrigiert werden.
„Im Einzelfall ist es oft schwierig zu entscheiden, ob eine Löschung verlangt werden kann“, sagt der Berliner Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Schinagl. Denn es könne beispielsweise durchaus berechtigt sein, sämtliche Stationen im Unternehmen eines über 20 Jahre Beschäftigten in der Akte vorrätig zu halten. „Dies ist vielleicht nicht datensparsam, kann aber, etwa für ein Arbeitszeugnis, durchaus zugunsten des Arbeitnehmers gerechtfertigt sein“, so Schinagl. Anlassbezogen könne eine berufsbezogene Erkrankung, die viele Jahre zurückliegt, eine Information sein, die dem Grundsatz der Datensparsamkeit genügt.
Der Datenschutzbeauftragte des Landes Berlin, Alexander Dix, hat jedenfalls nicht feststellen können, dass die Personalakten in Unternehmen im Laufe eines langjährigen Arbeitsverhältnisses zu vorschriftswidrigen Datenhalden mutierten. „Unsererseits gibt es keine Kritik an den festgehaltenen Informationen in den Personalakten“, teilt der Datenschutzbeauftragte mit. Allerdings führen seine Mitarbeiter auch keine regelmäßigen oder systematischen Kontrollen durch. Die Beobachtungen beruhen auf einem allgemeinen Eindruck.
„Ob es wirklich zu regelmäßigen Löschungen in Personalakten kommt, interessiert im Grunde kaum jemanden“, glaubt Anwalt Schinagl. „Die Inhalte interessieren in aller Regel erst, wenn es zum Streit zwischen Arbeitgeber und -nehmer kommt. Dann ist immer noch Zeit und Gelegenheit, sich um eine Bereinigung vorhandener Informationen zu kümmern.“ Schinagl ist der Meinung, dass die Personalakten für Arbeitnehmer in aller Regel kein Problem sind. „Mögliche Gefahren und Ungerechtigkeiten für Arbeitnehmer ergeben sich nicht durch die Personalakten, sondern in erster Linie durch das in den Köpfen gespeicherte Wissen.“