: Ins Cockpit nur mit Tauglichkeitsattest
Piloten werden regelmäßig auf Herz und Nieren geprüft. Psychische Störungen sind mit Tests aber nicht zu erfassen, sagen Fliegerärzte. Sie beklagen, dass die Standards für die Untersuchungen gesetzlich gesenkt wurden
■ Fragebogen: In den USA müssen sich Piloten keinen regelmäßigen psychologischen Überprüfungen unterziehen. Ihre körperliche Fitness wird jedes Jahr gecheckt, bei Piloten ab 40 Jahren sogar alle sechs Monate. Psychische Unregelmäßigkeiten wie Depressionen werden während des medizinischen Checks mit einem Fragebogen erfasst. Über eine psychologische Ausbildung, mit der sie selbstmordgefährdete Piloten in Gesprächen erkennen könnten, verfügen die Ärzte der US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) nicht.
■ Meldepflicht: Eine Ausnahme stellen Piloten dar, die akut unter Psychopharmaka wie Antidepressiva stehen und dies der FAA gemeldet haben. Sie müssen Erfolge in der Behandlung und die Unbedenklichkeit der Medikamente für die Steuerung des Flugzeugs individuell nachweisen. Auch in den USA wird derzeit über regelmäßige psychologische Checks von Piloten diskutiert. (tk)
VON ANJA KRÜGER UND RICHARD ROTHER
Die Lufthansa hatte keine Informationen über den labilen Gemütszustand des Piloten Andreas L., der den Airbus von Germanwings zum Absturz gebracht hat. „Wir erhalten keine medizinischen Informationen über Piloten“, sagt ein Sprecher. Zumindest die körperliche Gesundheit von Piloten werde engmaschig überwacht.
Das Okay eines Fliegerarztes ist die Voraussetzung dafür, dass das Luftfahrt-Bundesamt die Fluglizenz für Piloten ausstellt oder verlängert. Piloten müssen die Flugtauglichkeitsbescheinigung genauso wie die Lizenz immer mit sich führen. „Ob sie sie haben, wird an Flughäfen aber nur stichprobenartig geprüft“, sagt Matthias Wirth vom Deutschen Fliegerarztverband.
Um die Ausbildung zum Piloten machen zu können, ist eine Gesundheitsprüfung an einem der neun Aero Medical Center in Deutschland erforderlich, von denen drei die Lufthansa betreibt. Die Untersuchung wird von Fliegerärzten vorgenommen, die vom Luftfahrt-Bundesamt ermächtigt wurden. Fliegerärzte sind selbst Piloten.
Nach der Einstellung müssen sich Piloten mindestens einmal jährlich von einem Fliegerarzt untersuchen lassen. Die flugmedizinischen Vorschriften wurden 2003 europaweit vereinheitlicht. Damit wurden die Standards herabgesetzt, kritisiert der Deutsche Fliegerarztverband. Jetzt ist nur noch das sogenannte kleine Blutbild vorgesehen, das zum Beispiel keine Auskunft über ein Alkohol- oder Drogenproblem gibt. „Wir untersuchen seitdem nicht mehr routinemäßig die Leberwerte“, sagt Wirth. Abstriche gab es auch bei den Herzuntersuchungen. Früher wurde bei über 40-Jährigen ein Belastungs-EKG gemacht. Das ist gestrichen.
Psychische Erkrankungen oder Suchtprobleme sind ohne die Bereitschaft des Betroffenen, darüber zu reden, für Ärzte schwer zu erkennen – auch wenn sie gezielt danach fragen. „Piloten haben dieselben Probleme wie der Durchschnitt der Bevölkerung“, sagt Wirth. Die Forderung nach Einführung besonderer Tests, um psychische Störungen zu erkennen, führe nicht weiter. „Es gibt keine geeigneten Verfahren, um psychische Erkrankungen bei Routineuntersuchungen zu erkennen.“ Zudem erklären Fliegerärzte Piloten mit einer erkannten Depression für fluguntauglich. Erst wenn die Betroffenen als gesund gelten, dürfen sie wieder ins Cockpit.
Fliegerärzte müssen dem Luftfahrt-Bundesamt melden, dass ein Pilot möglicherweise oder definitiv fluguntauglich ist. Sie haben auch die Möglichkeit, die Lizenz mit der Einschränkung zu verlängern, dass Piloten sich in kürzeren Abständen als einem Jahr erneut untersuchen lassen müssen. Die Fluggesellschaft erfährt zwar von der Einschränkung. Aber sie weiß nicht, warum der Arzt diese Entscheidung getroffen hat. Für das Einziehen der Fluglizenz ist das Luftfahrt-Bundesamt zuständig.
Im Gegensatz zu den Fliegerärzten sind andere Mediziner, die Piloten behandeln, nicht zu einer Meldung an das Amt verpflichtet – sehen sie eine akute Gefahr, können sie das aber tun. Andreas L. war für den Tag des Absturzes von einem Arzt arbeitsunfähig geschrieben worden. Unklar ist, ob der Mediziner das gemeldet hatte. Das Luftfahrt-Bundesamt will keine Stellungnahme zu dem Fall abgeben.
Regelmäßige Untersuchungen der Verkehrstauglichkeit sind auch in den anderen Bereichen des Transportgewerbes gang und gäbe. So brauchen etwa Taxi- oder Kleinbusfahrer den sogenannten Personenbeförderungsschein, der alle fünf Jahre verlängert werden kann. Voraussetzung dafür ist unter anderem eine ärztliche Untersuchung, die die Fahrtüchtigkeit bestätigt.
Lkw-Fahrer müssen alle fünf Jahre zu einer medizinischen Untersuchung, wenn sie ihre Fahrerlaubnis verlängern lassen wollen. Dabei werden außer der Sehfähigkeit auch die körperlichen und geistigen Fähigkeiten überprüft, die zum Führen eines Fahrzeugs notwendig sind. Wer sich bei dieser Untersuchung auffällig verhält, kann zur medizinisch-psychologischen Untersuchung – die berühmte und von Alkohol- oder Drogensündern gefürchtete MPU – geschickt werden.
Das Speditionsgewerbe sei klein- und mittelständisch geprägt, sagt Branchensprecher Martin Bulheller. Die Arbeitgeber hätten daher oft engen Kontakt zu ihren Mitarbeitern. Dadurch würden sie deren Sorgen und Nöte häufig kennen. „Aber natürlich trägt nicht jeder Fahrer sein Herz auf der Zunge.“