Die Kälte außerhalb Deutschlands

betr.: „Der verlorene Sohn“, taz vom 17. 12. 07

Heiliges Deutschland! Alle liegen sich in den Armen. Frauen brechen in Tränen aus und können es kaum fassen, dieses Glück! Marco ist frei! Kaum dem Türkenknast entkommen, werden ihn Jauch, Kerner und Konsorten „exclusiv“ vor die Kamera zerren. Die CSU, die Kirchen und der Westerwelle werden Marco zum menschgewordenen Beweis für die Kälte und Unmenschlichkeit der Welt, außerhalb Deutschlands, auserwählen. Man kann sehen: Deutsche sind sensibel, mitfühlend und solidarisch, wenn es darum geht, ihre Landsleute aus den Fängen fremder, despotischer Mächte zu befreien.

Dass nebenan eine verzweifelte Mutter ihre Kinder gerade zu Pflanzendünger aufbereitet, fällt erst mal niemandem auf. Verzweifelt im eigenen Land zu sein, ist nicht „chic“. Schließlich gibt es in diesem Land auch einen Anspruch auf Selbstverelendung. Was aber zu Lebzeiten an Aufmerksamkeit, Zuwendung und Mitmenschlichkeit vorenthalten wurde, wird selbstverständlich post mortem nachgereicht. Hier ein Blumenmeer inmitten feierlich angezündeter Kerzen. Spielzeuge, selbstgeschriebene Karten meist mit der Frage: Warum? Man hätte doch geholfen, wenn man gewusst hätte!

ALI CELIKKAYA, Nürnberg