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Archiv-Artikel

Lost and Found

HAPPY END Die Ostergeschichte ist schnell erzählt: Auf einmal war Jesus weg. Um dann plötzlich wiederaufzutauchen. Deshalb erzählen wir Geschichten übers Verschwinden und Wiederfinden

„So etwas wie die Unbeschwertheit ist nach dem 11. September verschwunden oder der Glaube an den Menschenverstand nach der Wahl Gerhardt Schröders, aber das ist, glaube ich, alles Quatsch. Mein Moped ist verschwunden. Ein 50-cm-Roller, mit dem ich fast verwachsen war. Wir hatten eine zehn Jahre anhaltende symbiotische Beziehung und dann ist er an einer unglücklichen Kette von Ereignissen zugrunde gegangen. Er hatte über 2.000 Franken gekostet. Meistens merke ich nicht einmal, wenn ich etwas verliere. Die Menschen, die ich liebhabe, pflege ich an der Hand zu halten, damit sie mir nicht verlustig gehen. Was sonst so wegkommt, scheint unwichtig.“

Sibylle Berg

■ 52, schreibt Romane, Essays und Theaterstücke. Sie wurde in Weimar geboren und reiste 1984 in die BRD aus. Sie lebt in Zürich, ihr neues Buch heißt „Der Tag, an dem meine Frau einen Mann fand“.

„Das Wertvollste, das aus meinem Leben verschwunden ist, ist die Idee, dass ich auch hetero leben hätte können. Meine Stiefgroßmutter kaufte mir im Wallfahrtsort Mariazell, kurz bevor sie an einem Schlaganfall verstarb, ein putziges, kleines, vollweißes Taschenmesser. Dieses hab ich beim Nalber Bach, wo eine stabile Quittenstaude steht, als Siebenjähriger verloren. Neben dieser Quitte liegt ein Stapel Holzes, und ich geh und geh um den Stapel herum und find und find es nimmermehr. Seither trauere ich um es und suche es noch immer! Als ich dann schon längst vergessen habe, dass ich auch hetero sein könnte, und nun ganz fest weiß, ich bin stockschwul, erschien ein schrecklicher Engel (siehe Rainer Maria Rilke) in Gestalt von Sir eze. Was für eine Wonne! Was für eine Qual!“

Hermes Phettberg

■ 63, schreibt, schauspielt und moderiert. Der Sohn österreichischer Weinbauern wurde in Deutschland mit der „Nette Leit Show“ bekannt, in der es vor allem um ihn selbst ging.

„Verschwinden und Auftauchen sind Geschwister und gehen leider zu oft miteinander einher. So kommt es nicht selten vor, dass mit dem Auftauchen von bestimmten gesellschaftlichen Phänomenen der Respekt vor Menschen verschwindet. In Dresden haben das im vergangenen Winter Zehntausende geschafft. Mittlerweile ist ein Großteil derer wieder verschwunden, der Respekt aber ist nicht wiederaufgetaucht.“

Robert Hofmann

■ 28, studiert an der Uni Potsdam Geschichte. Er hat uns seine Geschichte per Mail geschickt.

„Ich erinnere mich kaum noch an die Zeit, in der ich glaubte, nichts und niemanden verlieren zu können. Ich vermute dennoch, sie war angenehm warm. Was ich neulich wieder gefunden habe, ist das Vertrauen in meine Entscheidungen. Es sieht anders aus als früher, ein bisschen durch den Wind. Ich hatte in einem Anfall großer Geschwindigkeit und zwischen unglücklichen Umständen nicht gut aufgepasst. Jetzt ist es zurück. Es sitzt auf dem Bett und wartet darauf, dass ich ihm einen neuen Scheitel kämme. Wenn ich doch nur wüsste, wo die Bürste ist.“

Elisabeth Rank

■ 30, ist Journalistin und Buchautorin. Zuletzt erschien von ihr der Roman „Bist du noch wach?“.

„Bei einem Landgang auf ‚Musikantenstadl‘-Kreuzfahrt ging ich vor zwei Jahren mit der Familie in Mexiko am Strand baden. Wie die kleinen Kinder stürzten wir uns in die tollen Wellen, eine riss mir meine Lieblingssonnenbrille vom Kopf. Sie verschwand auf Nimmerwiedersehen in den Fluten. Ich hatte mich schon mit dem Gedanken abgefunden, als ich fünf Stunden später, kurz vor dem Aufbruch zum Schiff, noch einmal am Strand entlangschlenderte. Ich traute meinen Augen nicht: Das Meer hatte die Brille angeschwemmt, sie lag zu meinen Füßen.“

Andy Borg

■ 54, moderiert seit 2006 den „Musikantenstadl“ in der ARD. Bei seinem jüngsten Auftritt verschwand er vor seiner Verabschiedung wegen einer Bildstörung.