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Archiv-Artikel

Von Richtern zur Schwarzkopiererin erklärt

ABMAHNUNG Kein Computer, kein WLAN – und trotzdem soll eine 64-jährige Rentnerin einen Hooliganfilm zum Download angeboten und so das Urheberrecht verletzt haben. Ein Urteil und seine Geschichte

VON LALON SANDER

BERLIN taz | Eine Rentnerin aus Berlin soll einen Hooliganfilm mit extremen Gewaltszenen über ein Filesharing-Netzwerk zum Download angeboten haben. Sie selbst bestreitet den Vorwurf, doch das Amtsgericht München hat sie wegen Verletzung des Urheberrechts zur Zahlung von 650 Euro Abmahnkosten verdonnert.

Selbst wenn man das ungewöhnliche Profil der angeblichen Schwarzkopiererin für plausibel hält, gibt es Gründe, an der Geschichte zu zweifeln: Seit zwei Jahren hat die 64-jährige Berlinerin keinen Computer mehr, einen WLAN-Router hat sie nie besessen, und den Netzanschluss hat sie nur zum Telefonieren gebraucht. Diese Fakten sind unstrittig, doch zahlen muss sie trotzdem.

Die klagende Anwaltskanzlei Negele, Zimmer, Greuter, Beller aus Augsburg ist als Abmahnkanzlei berüchtigt. Die Initiative „Abmahnwahn Dreipage“ etwa schätzt, dass die Kanzlei allein im Jahr 2010 mehr als 20.000 Abmahnungen bundesweit verschickte. „Die müssen immer wieder mal ein Gericht einschalten, damit ihre Abmahnungen nicht unglaubwürdig werden“, sagt der Anwalt der Rentnerin, Christian Solmecke.

Am 4. Januar 2010 soll die Tat geschehen sein: Im Auftrag der Anwaltskanzlei beobachtet eine Firma das Netzwerk Edonkey. Dort erscheint der Film „Kategorie C – Deutsche Hooligans“ zum Download, er ist erst zwei Monate zuvor erschienen. Das Überwachungsprogramm „File-Watch“ notiert sich die Datei, die IP-Adresse des Anbieters und den Zeitpunkt. Über den Anbieter des Internetanschlusses wird dann der echte Name des Besitzers abgefragt.

In diesem Fall ist das die ältere Dame aus Berlin. Sie bekommt daraufhin eine Abmahnung, die sie auffordert, 720 Euro zu zahlen, davon 68,20 Euro Schadenersatz und 651,80 Euro Anwaltskosten. Weil sie das Geld nicht zahlen will, landet sie vor Gericht. Die Tatsache, dass die Frau den Film gar nicht habe abrufen können und dass es auch sehr unwahrscheinlich ist, dass jemand anders ihren Anschluss benutzt haben könnte, interessierte das Gericht wenig. Es sah zwar ein, dass die Frau selbst den Film gar nicht selbst angeboten hatte und befreite sie von den Schadenersatzforderungen.

Doch sei der Film zweifelsfrei über ihren Internetanschluss angeboten worden, und für den Anschluss sei sie verantwortlich. „Die Richter fordern, dass die Rentnerin erklären soll, wie das alles abgelaufen sein soll, wenn sie es nicht war“, sagt Solmecke. Kurz: Sie soll ihre Unschuld beweisen.

Dabei stützt sich das Münchener Amtsgericht auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das ähnlich entschieden hatte. In Schwarzkopie-Fällen können Menschen entweder Täter oder Störer sein: Täter bieten selbst Schwarzkopien zum Download an oder helfen anderen dabei. Störer begünstigen unfreiwillig eine solche Tat, indem sie beispielsweise ihr Netzwerk unverschlüsselt lassen.

Wer den Zugang zum Netz nicht ausreichend sichert, kann also trotzdem noch wegen einer Schwarzkopie belangt werden, es sei denn, man kann nachweisen, dass es jemand anderes war. „Unsere Mandantin war weder Täterin – das hat das Gericht eingesehen – noch ist sie, aus unserer Sicht, Störerin“, sagt Solmecke. „Ihren Netzanschluss kann niemand benutzt haben.“

Solmecke geht davon aus, dass es einen Fehler bei der Erfassung der IP-Adresse oder der Zuordnung der Adresse zum Namen der Frau gegeben haben muss: „Da werden Zahlenreihen zwischen unterschiedlichsten Stellen hin und her geschickt und überall kann es zu einer Verwechslung gekommen sein.“

Die Rentnerin aus Berlin und ihr Anwalt wollen nun Berufung gegen das Urteil einlegen.

(Az. 142 C 2564/11)