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Archiv-Artikel

Einseitige Blicke

KULTUR-BEGEGNUNG Einen Blick auf „Afrikaner in Hamburg“ wirft eine Ausstellung im Museum für Völkerkunde. Die aber enthält zu viele Pauschalaussagen und Lücken

Ein Schritt in die richtige Richtung – aber leider geprägt von Ignoranz

VON CAREN MIESENBERGER

„Akwaaba“ steht auf einem Pappaufsteller am Eingang des riesigen Ausstellungsraumes: „Willkommen“ auf Twi, eine im westafrikanischen Ghana gesprochene Sprache. Darunter lächelt eine Frau freundlich von ihrem Transparent. Auch die anderen neben ihr lächeln und empfangen die Besucher mit Willkommensgrüßen auf unterschiedlichen Sprachen. Und dann – das zentrale Exponat der Ausstellung: ein Afroshop, der sämtliche Produkte führt, die man eben aus Afroshops kennt: Hirse, Kochbananenchips und Shampoo, aus einer Tiefkühltruhe blitzen die glänzenden Schuppen toter Fische.

Ein Symbol für die Verbindung zwischen Afrika und Deutschland soll er sein, rund herum die unterschiedlichen Themenbereiche der Ausstellung: Kunst und Arbeit, Sport, Küche, Religion, Projektgeschichte, Familie, Schattenwelten und die Geschichte der Afrikaner in Hamburg. Aber lässt sich eine Reise durch das afrikanische Hamburg – wie es in einer Beschreibung heißt – wirklich in einem einzigen Raum unterbringen? Und wer sind überhaupt diese „Afrikaner“?

Ein Gemeinschaftsprojekt von Hamburger Schulen, der Behörde für Schule und Berufsbildung, des Lehrstuhls für Journalistik der Universität Hamburg, Radio Funkstark und zahlreichen afrikanischen Vereinen und Privatpersonen ist die Ausstellung „Afrikaner in Hamburg. Eine Begegnung mit kultureller Vielfalt“, die noch bis zum 15. Januar im Museum für Völkerkunde zu sehen ist. Grundlage der Ausstellung erhielten sind Interviews, die Schüler verschiedener Schulen und Journalistik-Studierende nach einem professionellen Coaching des Studiengangs für Journalistik und vorbereitet von einer Supervisor-Gruppe afrikanischer Kulturexperten mit Hamburger Afrikanern unterschiedlicher geographischer und sozialer Herkunft geführt haben.

Mit ihnen sprachen die jungen Interviewer über Essgewohnheiten, künstlerische Aktivitäten, Ideale oder familiäre Situationen. Als Plakate oder in Form von Video- und Audiobeiträgen bilden die Ergebnisse dieser Interviews den inhaltlichen Kern der Ausstellung. Ergänzend dazu: zahlreiche Exponate aus dem Besitz des Museums oder aus dem Privatbesitz der Interviewten wie religiöse Kleidung aus dem Senegal oder Fußballtrikots aus Sansibar, die vor allem die afrikanische Seite des afrodeutschen Lebens veranschaulichen.

Wichtig ist den Initiatoren von „Afrikaner in Hamburg“ dabei, die Kenntnisse über und das öffentliche Interesse an den Hamburger Afrikanern zu intensivieren. Das Positive soll in den Vordergrund gestellt werden, viel zu oft werde nur von Schatten geredet, erfährt man da auf einer Texttafel im Ausstellungssegment Schattenwelten. Ein deutlicher Hinweis allerdings auch auf die Defizite der Ausstellung: Schattenseiten werden hier zwar – in Form von Illegalisierung und Rassismus – angeschnitten, aber in anderen Ausstellungsbereichen nicht mehr berücksichtigt.

„Im Sport zählen nur die Leistungen oder der Spaß und nicht Hautfarbe oder Sprachkenntnisse.“ Derlei Aussagen suggerieren etwa im Themenbereich Sport, dass es keinerlei Rassismus gäbe. Dabei kommt es auch heute, wo in jeder Bundesligamannschaft Spieler mit den unterschiedlichsten kulturellen und nationalen Hintergründen aktiv sind, immer wieder zu rassistischen Zwischenfällen. Wie zum Beispiel 2006, als der nigerianische Spieler Adebowale Ogungbure bei einem Spiel des FC Sachsen Leipzig den rassistischen Beleidigungen gegnerischer Fans ausgesetzt war und aus Wut den Hitlergruß in Richtung Fantribüne zeigte. Ganz abgesehen vom strukturellen Rassismus, der kaum öffentlich gemacht wird.

Denn leider finden sich auch in der Ausstellung immer wieder Pauschalaussagen: Den in Hamburg lebenden Afrikanern sei ihre Familie außerordentlich wichtig, für in Hamburg lebende Menschen aus Afrika habe das religiöse Leben einen hohen Stellenwert, heißt es unter anderem. Verallgemeinerungen, die die Dynamik der individuellen Lebensrealitäten ignorieren und Vorurteile schüren, statt sie zu beseitigen. Und befürchten lassen, dass das derart neu gewonnenes Wissen nicht nur auf Hamburger Afrikaner, sondern auf Schwarze Deutsche im Allgemeinen bezogen wird.

Alles in allem wird so der Anspruch, afrikanische Lebenswirklichkeiten in Hamburg darzustellen, nur stark einseitig erfüllt. Prekäre Lebensbedingungen wie Rassismus oder Illegalisierung werden in den meisten Segmenten der Ausstellung nicht mitbedacht. So ist „Afrikaner in Hamburg“ zwar ein Schritt in die richtige Richtung – aber leider trotzdem geprägt von der Ignoranz, die sich durch die deutsche Gesellschaft zieht.

Eine eigene Meinung kann man sich morgen bilden: Zum Jahresende lädt das Museum für Völkerkunde zu einem Tag der offenen Tür.

■ Ausstellung „Afrikaner in Hamburg. Eine Begegnung mit kultureller Vielfalt“ noch bis So, 15. 1., Di bis So 10 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr, Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64, Führungen noch am So, 8. 1., 15 Uhr und Sa, 14. 1., 11 und 15 Uhr. Tag der offenen Tür: Fr, 30. 12., 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei