: „Mehr Koordinierung ist wichtig“
MENSCHENRECHTE Nicolas Beger, Europachef von Amnesty International, ist von der Arbeit und dem Engagement Catherine Ashtons noch nicht überzeugt
■ ist Direktor des Europa-Büros von Amnesty International in Brüssel.
Foto: Archiv
taz: Herr Beger, was halten Sie vom Auswärtigen Dienst?
Nicolas Beger: An sich ist das eine gute Idee. Mehr Koordinierung ist wichtig, gerade bei Menschenrechtsfragen. Allerdings mussten wir hart kämpfen, überhaupt eine Abteilung für Menschenrechtsfragen im Auswärtigen Dienst durchzusetzen. Jetzt fehlt es noch an juristischer Kompetenz, an Geschwindigkeit, an diplomatischer Hintergrundarbeit und struktureller Klarheit.
Engagiert sich Catherine Ashton ausreichend für Menschenrechte?
Ashtons menschenrechtliche Außenpolitik hat mich noch nicht überzeugt. Wir erwarten mit Spannung ihre neue Strategie, die sie in einigen Wochen vorstellen will. Was wir bis jetzt an Entwürfen gesehen haben, lässt noch sehr zu wünschen übrig. Das ist nicht nur Asthons Schuld. Die Mitgliedstaaten ziehen sich immer weiter zurück, wenn es um die Verteidigung von Menschenrechten geht.
Wie beurteilen Sie Ashtons Politik in Tunesien, Libyen und Ägypten?
Zunächst fehlt uns, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten nicht öffentlich zugeben, dass sie zu den massiven Menschenrechtsverletzungen in der Region beigetragen haben durch die Unterstützung der Diktatoren. Wenn jetzt wirklich eine Veränderung stattfinden soll, dürfen skandalöse Verträge wie zum Beispiel die Finanzierung menschenverachtender Migrationskontrolle nicht wieder aufgenommen werden. Außenpolitik ist nur glaubwürdig, wenn die Innenpolitik zum Beispiel nicht einfach die menschlichen Schicksale der Flüchtlinge ignoriert.
Beobachten Sie eine Veränderung, wie die Europäische Union in anderen Ländern wahrgenommen wird?
Sie hat an Glaubwürdigkeit stark verloren. Aber das liegt wahrlich nicht nur an Ashton und dem noch etwas chaotischen Auswärtigen Dienst. Solange die EU zum Beispiel zwölf Millionen Roma diskriminiert und nur mit der Schließung ihrer Grenzen beschäftigt ist, wird sie es immer schwerer haben, Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern wie Russland oder China anzuprangern.
INTERVIEW: RUTH REICHSTEIN