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Archiv-Artikel

Teuer bezahlt

UNRECHT Ein Arzt hat möglicherweise nur aus finanziellem Interesse Abschiebungen befürwortet

Von AKW

Die Abschiebung der in Berlin geborenen Türkin O. in die Türkei Ende 2014 war unrechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht Ende Februar festgestellt.

Der Fall O. erregt Aufsehen, seit ein Bericht des Politmagazins „Fakt“ des Mitteldeutschen Rundfunks vergangene Woche die Qualifikation des medizinischen Gutachters Rainer L. in Zweifel gezogen hat. L. hatte O. die für eine Abschiebung nötige Reisefähigkeit attestiert. In dem Bericht heißt es, L. verfüge möglicherweise nicht über die nötige staatliche Zulassung als Arzt. Aus einem richterlichen Vermerk in den Prozessakten gehe hervor, dass „niemand jemals die Approbation des Mannes gesehen hat“.

In der Urteilsbegründung des Gerichts wird demgegenüber L.s Ausbildung als praktischer Arzt nicht in Zweifel gezogen – wohl aber seine persönliche Eignung als Gutachter: Er sei „zur Überzeugung der Kammer ungeeignet gewesen, die Flugfähigkeit der Klägerin festzustellen“, heißt es da. Hintergrund: Eigennutz. L. habe „das von der Klägerin aufgebaute Vertrauen in seine Person als Arzt dazu genutzt, sie den Polizeikräften zuzuführen“, da er „an der Feststellung der Flugfähigkeit ein nicht unerhebliches, eigenes finanzielles Interesse“ habe. L. habe „eingeräumt, dass er das Honorar in Höhe von ca. 800–900 Euro für die Flugbegleitung verloren hätte, wenn er die Flugfähigkeit verneint hätte“.

Dass dieser Mann nach eigenen Angaben bereits in 40.000 bis 50.000 Fällen Gutachten für Abschiebungen erstellt hat, lässt nun Flüchtlingspolitiker aufhorchen. Sollten sich die Vorwürfe gegen L. bestätigen, „wäre das ein Skandal“, so der flüchtlingspolitische Sprecher der Linken, Hakan Tas: „Es würde bedeuten, dass Berlin seit Jahrzehnten rechtswidrige Abschiebungen vollzieht.“ Zudem entstünde der Eindruck, dass L. „gezielt eingesetzt wurde, um Abschiebungen zu beschleunigen“, so Tas. Seine grüne Kollegin Canan Bayram will dazu bald Innensenator Frank Henkel (CDU) befragen.

Die abgeschobene O. hat für L.s Gutachten jedenfalls teuer bezahlt: Ihr entsteht laut Gericht auch aus dem Urteil kein Anspruch, nach Deutschland zurückgebracht zu werden. AKW