taz: Vier politische Parteien und zahlreiche unabhängige Oranisationen unterstützen Ihre Kandidatur - ein breit gefächertes Bündnis. Viele meinen, daß nach den Wahlen am 6. Juli jede Gruppe an ihrem eigenen Strang ziehen wird.

Cuauktemoc Cardenas: Unsere politische Zusammensetzung ist in der mexikanischen Geschichte einmalig und überraschend. Niemals zuvor hatte es eine Allianz zwischen Kommunisten, ehemaligen Mitgliedern der PRI, Trotzkisten, Sozalisten und unabhängigen Organisationen gegeben. Nur die Einsicht, daß die PRI von der Macht entfernt werden muß, hat es möglich gemacht, die Unterstützung eines einzigen Kandidaten durch so viele Kräfte zu erreichen. Seit die Sozialistische Partei Mexikos meine Kandidatur unterstützt, haben auch die Unentschlossenen jemanden, den sie wählen können. Deshalb wird die Situation viel schwieriger für die PRI, weil sie merkt, daß unsere Allianz nicht nur ein reines Wahlbündnis, sondern eine längerfristige Kraft ist.

taz: Werden Sie nach den Wahlen eine neue Partei gründen?

Cardenas: Noch wissen wir nicht, ob wir eine einzige Partei bilden werden. In unserem Zusammenschluß werden die Entscheidungen demokratisch gefällt und nicht von oben herab. Sollte der Moment kommen, daß unsere Ziele nicht mehr miteinander vereinbar sind, werden wir auf derselben Basis wie bisher weiterreden. Nur so können wir dann neue gemeinsame Punkte erarbeiten.

taz: Was würde geschehen, wenn die PRI ihrem Ruf gerecht würde und einen Wahlbetrug beginge?

Cardenas: Wir sind uns bewußt, daß uns der Sieg nicht zuerkannt werden wird, auch wenn wir gewinnen. Die Regierung hat die absolute Kontrolle über die Bundeswahlkommission, aber die Oppositionsparteien werden mit ihren acht Vertretern gegenüber vier der PRI einen relativen Vorteil bei der Kontrolle der Urnen haben. Durch ein Wählerverzeichnis werden wir das Ergebnis bestens überprüfen können und die Wahl anerkennen oder nicht.

taz: Was schlägt die Nationale Demokratische Front zur Sanierung der mexikanischen Wirtschaft vor?

Cardenas: Eine gemischte Wirtschaft, in der der Staat eingreift, aber einschneidender als bisher. Wir sind dagegen, daß der Privatsektor und das ausländische Kapital unsere Wirtschaft kontrollieren. Wir sind auch gegen die vielen Privilegien jener 300 wohlhabenden Familien von Spekulanten, die die Wirtschaft derzeit kontrollieren.

taz: Sanierung der Wirtschaft und Bezahlung der Auslandsschuld: Ist beides zusammen möglich?

Cardenas: Unsere Auslandsschuld beträgt 105 Milliarden US -Dollar. 14 Milliarden sind allein an jährlichen Zinsen zu bezahlen. Wir können die stumpfsinnige Haltung nicht hinnehmen, die Schulden auf Kosten der staatlichen Souveränität und auf Kosten unseres Volkes weiterhin zu bezahlen. Die Tilgung zu den derzeitigen Bedingungen muß suspendiert werden.

taz: Während der 60 Jahre PRI-Regierung hat das mexikanische Heer eine recht passive Rolle gespielt und die Partei an der Macht stets unterstützt. Sie sind Sohn des beliebtesten Generals in der nachrevolutionären mexikanischen Geschichte. Denken Sie daran, die Militärs zu einem Sturz der PRI aufzurufen?

Cardenas: Während meines Wahlkampfes habe ich mehrmals Aufrufe an das Heer gerichtet. Ich bin überzeugt davon, daß die Militärs eine entscheidende Rolle in der Demokratisierung des Landes spielen können. Wir erhielten aber meist nur indirekte Antworten, denn ein Militär, der sich offen zu unseren Gunsten ausspricht, würde aus dem Dienst entfernt. Es ist interessant zu bemerken, daß in jenen Wahlbezirken, wo der Anteil an Armee-Angehörigen am größten ist, die PRI an Stimmen verliert.

Das Gespräch führte Lilia Rubio