: GESTRESSTE ALPEN
■ Diskussionsveranstaltung der Grünen zu „Tourismus oder Terrorismus“
Könnten sie leuchten, die Alpen, in denen der Freizeit -Kolonialismus tobt und der Krieg herrscht, sie leuchteten vor Immunschwäche violett, Tausende von Kettenfahrzeugen, die als Schnee- und Pistenraupen die Pisten platt machen und das Leben darunter ankratzen oder ausradieren, Tausende laut feuernder Schneekanonen, zerstörte Humusschichten und Vegetationsdecken, hochgebirgssavanne und Gipfelfabrikgelände, Sonnenöl auf Gletscherfirn, Cadmium im Hüttentee, stummer Frühling ohne Schmetterling...“ - so zeichnete der Journalist Manfred Spöttl ein Szenario des Schreckens, das real ist. Der bayerische Landesverband der Grünen hatte zur Diskussion über „Tourismus oder Terrorismus“ geladen. Nicht um zu lamentieren, wie Landesvorstandssprecherin Heidi Meinzolt-Depner betonte, sondern um einen Maßnahmenkatalog vorzulegen. Um zu zeigen, daß „sanfter Tourismus“ möglich ist. die Grünen sprachen sich klar für den Sommer- wie Wintertourismus aus. Sie formulierten ebenso klar die Vorgaben und Grenzen.
Die besonders gefährdeten alpinen Höhenregionen und Gletschergebiete dürften keinesfalls weiter ausgebaut werden. Jede künftige touristische Maßnahme solle einer Umwelt- und Sozialvertraglichkeitsprüfung unterworfen werden. Der landwirtschaftlichen Nutzung der Böden müsse eindeutig der Vorrang gegenüber Baulandausweitungen eingeräumt werden. Die zur Saisonverlängerung eingesetzten Schneekanonen hätten mitsamt ihrer bakteriellen Beimischung von der Bildfläche zu verschwinden. Das Variantenfahren abseits der Piste gehöre, wie in Österreich und der Schweiz, verboten und unter Strafe gestellt. Verursacherprinzip
„Sanfter Tourismus“ bedeutet für die Grünen die weitgehende Harmonisierung von Lebens-, Wirtschafts-, Natur- und Urlaubsraum. Sie setzen auf die Bewußtseinsbildung bei der einheimischen Bevölkerung und bei den Gästen. Auf pädagogische Programme und Seminare, die Bewußtsein für die Probleme schaffen und für notwendige Veränderungen werden. Die Kommunen seien ebenso angesprochen wie die Verbände und die Touristikbranche. Neben dem „aggressiven Pistenfahren“ müßten dem Urlauber umwelt- und sozialverträgliche Freizeitprogramme angeboten werden. Weg vom einseitigen Aktivurlaub, heißt es, und hin zum Natur-Ruheerlebnis. Die sportliche Leistung brauche dabei nicht auf der Strecke zu bleiben.
Der Aufklärung stellen die Grünen eine geplante Gesetzesinitiative zur Seite. Für die Schäden, die durch den Tourismus entstehen, habe das Verursacherprinzip zu gelten. Diejenigen, die zumeist aus bloßer Bereicherungsabsicht die Natur und damit die Lebensgrundlage des Menschen zerstören, müsse man eben da packen, wo es weh tut - am Geldsack. Das Verursacherprinzip als Grundlage der ökologischen Schadensbekämpfung werde bisher gerade bei großtechnischen Risiken nicht genutzt.
Für die Alpen engagiert sich besonders Karl Partsch. Partsch ist Biologe und Kandidat der bayerischen Grünen für die Europawahl'89. Der begeisterte Skifahrer betonte, es gehe nicht darum, dem Skisport an den Kragen zu wollen. Dies würde den wirtschaftlichen Tod des Alpenraumes bedeuten. Partsch forderte eine Charta, in der die Reinheit der Luft, die wir atmen, des Wassers, das wir trinken und Böden, auf denen unsere Lebensmittel wachsen, vorrangig geschützt werden. Partsch bleibt nicht bei der Chronik des Schrecken. Er, der seit Jahren für den Lebensraum Alpen auf den Barrikaden steht, hält der besorgniserregenden Realität hoffentlich ansteckende Alternativen entgegen - Aufklärung und Einsicht.
Walter Zimmermann-Hedewig
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen