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Ausgefuchst ausgefückst

■ Grüner Bürgerschaftsabgeordneter trägt sich mit Abwanderungsgedanken Richtung Bonner Parteivorstand: Politisch tendenziell ja, privat tendenziell nein

Bremens Pflaster ist zwar - zumindest auf Fahrradwegen - rot und rund um Domshof und Bürgerschaft sogar neugestaltet, besonders attraktiv ist es für politische Köpfe aber anscheinend nicht. CDU-Mann Bernd Neumann gefiel es aus nachvollziehbaren Gründen so wenig, daß er inzwischen in Bonn sein Glück versucht. Die SPD verlor Hans Koschnick an die Bundeshauptstadt, und die frischgebackene

SPD-Landesvorsitzende Ilse Janz trägt sich auch schon mit Abwanderungsgelüsten ins nordrheinwestfälische Hinterbänklertum, wo ein gewisser Herr Richter aus Bremerhaven schon seit einiger Zeit um einen guten freidemokratischen Eindruck bemüht ist.

Mit einem blauen Auge und dem zeitweiligen Verlust der Ex -Bürgerschaftsabgeordneten Christine Bernbacher an den grünen Bundesvorstand kamen bislang lediglich die Bremer Grünen an der Bundeshauptstadt vorbei. Jetzt, so scheint es, steht auch ihnen ein heftiger Aderlaß an politischem Sachverstand und rhetorischem Geschick bevor. Den grünen Bürgerschaftsabgeordneten Ralf Fücks treibt es nach Bonn.

Es - das ist vor allem der stumme Zwang der politischen Verhältnisse bzw. - wie Politiker, die sich zur Abwehr etwaiger

karrieristischer Verdächtigungen gern bitten lassen, diesen biographischen Schwebezustand gern beschreiben - die Pflicht. Fücks gilt als Wunschkandidat der grünintegrativen, blockübergreifenden grünen „Aufbruchbewegung“ für den Posten des Bundesvorstands-Sprechers. Wenn es nach der wachsenden Fraktion zwischen den Parteifronten geht, kandidiert der Bremer im März gegen den früheren Fundi-Vorstandssprecher Rainer Trampert. Sollte Fücks sich tatsächlich zu einer Kandidatur durchringen, werden ihm durchaus gute Aussichten eingeräumt.

Zur Zeit stehen die privaten Zeichen eher auf „Nein“, verriet Fücks gestern. In Bremen binden ihn nicht nur sein Bürgerschaftsmandat, sondern auch zwei Kinder, ein eigenes Haus und eine Lebensgefährtin, die ein Bundes

tagsmandat zu werktäglicher und die Gründungsmitgliedschaft in der grünen Aufbruch-Bewegung oft zu feiertäglicher Präsenz in Bonn zwingen.

Seine grünen Fraktionskollegen hat Fücks inzwischen in seine Gewissenskämpfe eingeweiht und eine kommentarlose Kenntnisnnahme seiner Pläne geerntet. Möglicherweise, so läßt sich spekulieren, wären einige der grünen Abgeordneten gar nicht so undankbar, wenn einer prägnantesten grünen Köpfe Bremen verließe und ihnen das Feld überließe. Fücks selbst will sich spätestens in 14 Tagen entschieden haben. Die Tatsache, daß laut grüner Satzung sein jetziges Bürgerschaftsmandat sein vorerst letztes gewesen ist, könnte aus dem jetzigen „tendeziellen Nein“ vielleicht doch noch ein „tedenzielles Ja“ machen.

K.S.

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