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„Jugend trainiert für Olympia“

Wofür trainiert die Jugend wirklich? / 3.715 SchülerInnen beim Frühjahrsfinale  ■  Aus Berlin Daniela Hutsch

Anfeuern können sie jedenfalls, die Teilnehmer aus elf Bundesländern am Bundeswettbewerb der Schulen „Jugend trainiert für Olympia“. Hoch her ging es in der Schöneberger Schwimmhalle beim Endkampf um die Medaillen, bei dem auch das Publikum seine Kondition unter Beweis stellte. Mittels elektronischer Zeitmessung und unter internationalen Wettkampfregeln wurde der Bundessieger der Schulen ermittelt. In fünf Disziplinen traten die Jugendlichen im Alter von zehn und zwanzig Jahren beim diesjährigen Frühjahrsfinale an, das am vergangenen Wochenende in Berlin zu Ende ging. Zweimal jährlich nehmen insgesamt rund 8.000 SchülerInnen aus der Bundesrepublik an den beiden Finalwettkämpfen im Frühjahr und Herbst in Berlin teil. Zuvor haben sie sich in Ausscheidungswettkämpfen auf Länderebene für die Teilnahme qualifizieren müssen.

Von seiner ursprünglichen Idee hat sich der Bundeswettbewerb, der in diesem Jahr sein zwanzigjähriges Bestehen feiert, inzwischen weit entfernt. 1969 von dem 'Stern'-Redakteur Henri Nannen ins Leben gerufen, sollte der Wettbewerb eine Antwort auf das „Medaillendesaster“ der deutschen Olympiateilnehmer in Mexico 1968 sein. Talentsichtung und Olympiavorbereitung waren die erklärten Ziele. Doch gerade dies, so meinen Kritiker heute, sei durch das Gesamtkonzept unmöglich gemacht. Da ausschließlich Mannschaftsbewertungen vorgenommen werden, finden die einzelnen Leistungen von Schülern, und seien sie auch noch so gut, keine Berücksichtigung. Im Gegensatz zur Spartakiade in der DDR, bei denen der individuelle Meister ermittelt wird, handelt es sich bei „Jugend trainiert für Olympia“ um einen Mannschaftswettbewerb.

Doch die Trägergemeinschaft des Bundeswettbewerbs will an Form und Inhalten weiterhin festhalten. Hier sollen, so sagen die Verantwortlichen, keine zukünftigen Goldmedaillengewinner herangezüchtet werden, sondern eine möglichst große Anzahl Jugendlicher zum Leistungssport angehalten und motiviert werden. Darüber hinaus biete der Wettkampfsport die Möglichkeit der Selbstdarstellung, die wie auch die Verarbeitung von Erfolgen und Mißerfolgen persönlichkeitsbildende Wirkung habe.

Schulen und Vereine

Die Talentsichtung soll weitgehend durch die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und Vereinen stattfinden, die jedoch bisher zu wünschen übrig läßt. Die Vereinstrainer sind oftmals über die bestehenden sportlichen Aktivitäten in der Schule nicht informiert. Zur Verbesserung des Kontakts zwischen Schule und Verein wurden sogenannte Kooperationsmodelle eingerichtet, bei denen Vereinstrainer für kurze Zeit den Sportunterricht in der Schule übernehmen, um talentierte Schüler für ihren Verein zu gewinnen. Mehr als 50 Prozent der Schüler, die an den Ausscheidungswettkämpfen teilnehmen, sind in Vereinen organisiert. Sie trainieren zwischen drei- und sechsmal wöchentlich, doch haben die meisten von ihnen keine Olympia -Ambitionen; ihr Ziel ist der Bundeswettbewerb an sich, weiter wollen und können sie nicht planen. Und so sehen die meisten von ihnen die Veranstaltung eher unter dem Aspekt der Abwechslung und des Vergnügens als unter dem der Leistung: „Dabeisein ist alles, und nachher feiern wir erst mal richtig.“ Aufgeregt sei sie überhaupt nicht, versicherte eine Dreizehnjährige kurz vor ihrem Start beim Schwimmen, wackelte mit dem Kopf und sprang von einem Bein aufs andere. Siege werden mit Begeisterung, Niederlagen mit Gelassenheit quittiert. Unmäßiger Ehrgeiz ist hier fehl am Platze.

Wohl soll der Wettbewerb nach dem Willen der Veranstalter leistungsorientiert sein und bleiben, doch kann der Hochleistungssport dafür kein Maßstab sein; so impliziert denn auch die Bezeichnung „Jugend trainiert für Olympia“ ein falsches Ziel, doch konnten sich die Verantwortlichen nicht zu einer Änderung des Namens in „Jugend trainiert“ durchringen. Eines der heutigen Ziele, eine möglichst breite Schülerschaft anzusprechen, scheint gelungen: Waren es vor zwanzig Jahren noch 16.500 SchülerInnen, die an den Ausscheidungswettkämpfen teilnahmen, so sind es heute 612.000. Sie treten in dreizehn Disziplinen an (ursprünglich waren es nur Leichtathletik und Schwimmen), und die Teilnehmerzahl steigt trotz sinkender Schülerzahlen beständig.

350 Mark pro Schüler

Ohne Sponsoren ist „Jugend trainiert für Olympia“ heute kaum noch finanzierbar. Die deutsche Sporthilfe, Bund und Länder übernehmen die Kosten, die sich pro Schüler auf 350 Mark belaufen. 2,2 Millionen Mark stellt das Land Berlin alljährlich für die Finalwettkämpfe zur Verfügung, eine Summe, die der Berliner Staatssekretär für Sport, Hans -Jürgen Kuhn, im Vergleich zu anderen Ausgaben für gering erachtet. Die Berliner Teilnehmer erhalten als Ausgleich dafür, daß die Finalkämpfe stets in Berlin stattfinden, im Herbst eine Reise in die Bundesrepublik.

Gern hätte sich „Jugend trainiert für Olympia“ auch fortschrittlich gezeigt: Im letzten Jahr wurde ein Demonstrationsturnier für Mädchenfußball durchgeführt, die generelle Einführung scheiterte bisher aber an den üblichen bürokratischen und finanziellen Schwierigkeiten. Im nächsten Herbst sollen dafür erstmals die Sportarten Badminton und Tennis dabeisein.

Und wie bei jeder großen Veranstaltung, endete auch diese mit Abschlußfeier und Siegerehrung, bei der Funktionäre und Sportlerprominenz nicht versäumten, sich ins richtige Licht zu setzen. Für die Siegerehrung gab es ein stattliches Aufgebot an Prominenten, die nichts anderes zu tun hatten, als den Gewinnern die Medaillen zu übergeben. Von dem jugendlichen Publikum wurde das Prominentenspektakel nicht immer freundlich aufgenommen: Der eine oder andere erntete Buhrufe statt des gewünschten Beifalls. Um so mehr Applaus verdienten die Darbietungen jugendlicher Sportler, die ihr Können in Turnen, Tanz und Pantomime unter Beweis stellten.

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