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Mama Kaiser's ist so lieb

■ Kommerz-Wende in der Werner-Seelenbinder-Halle / Neue GmbH's mit Ex-FDJ-Spitzenfunktionären im trauten Verband mit West-Firmen / Ordner tragen nicht mehr blau, sondern Produktenwerbung / Verklemmte Gesprächsversuche und lieber Beifall / Gewisser Kohldunst

Gemeinsam mit Firmen wie Levis, West, Kaiser's und anderen organisiert die ehemalige FDJ-Garde die Rocktage in der Werner-Seelenbinder-Halle. Für das junge Volk der DDR war die größte Sporthalle der Hauptstadt schon lange eine gute Anschrift in Sachen Rock-Musik. Das galt besonders dann, wenn hier die raren Stars aus dem Westen auftraten. Dabei ließ die Freie Deutsche Jugend die untergehende Sonne nochmal durch diese Fremdeinspeisung kurz aufleuchten. Damit ist es jetzt endgültig vorbei, denn Erich's Kaderschmiede ist inzwischen sehr tot. Doch die Kids müssen deshalb nicht dem Pop-O-Ton aus dem NSW entsagen. Neue, aber schon lang bekannte Veranstaltungsmacher haben im Bunde mit großen Brüdern aus dem Westen die Fäden aufgenommen und fest an sich gezogen. Auffällig ist dabei, daß eine ganze Riege von ehemaligen Jugendbeamten aus zentralen FDJ-Büros mithandelt. Sogar das Ex-Ober-Blau-Hemd Eberhard Aurich wurde in zurückhaltender Position in der Halle gesichtet. Trotzdem gibt es aber erhebliche Unterschiede zur alten Veranstaltungspraxis. So kommen bis zu Zwei-Drittel der Besucher aus Westberlin. Der gute Ost-Fan hat zwar theoretisch alle Möglichkeiten zum Besuch der 14 Veranstaltungen, aber Preise und Vertriebsarten bringen ihn erneut ins Abseits. Auch hier gilt: Freiheit statt DDR. Test the West - wenn Du kannst. Fahnen, Plakate, Programme und Ordner tragen jetzt nicht mehr Blau-. sondern Produktewerbung. Schluß mit der dogmatischen Politisierung.

Ganz deutlich wurde dies, als am vergangenen Samstag noch ein Kinderfest außerhalb der Rockspektakel mit dem Berliner Rundfunk mit vielen Ständen und und fast noch mehr Werbeträgern zugunsten von Heimen für behinderte Kindern stattfand. Viel wurde verteilt, geworben, alles war umsonst zu haben und fast alles aus dem Westen. Info-Stände hatten es schwer gegen Pepsi und Pudding. Die guten Firmennamen waren dafür nicht und nirgends zu übersehen. Es sollte aber auch um Sicherheit im Straßenverkehr und Hilfe für behinderte Kinder gehen.

Im Innenraum der Halle eine ähnliche Situation. Viele süße und bunte Sachen gabs, wenig Aufmerksamkeit für den Rahmen. Lulu und Wolfgang Ziegler hatten auf der Hauptbühne mit ihren anderen Kollegen keine leichte Aufgabe zu lösen. Sogar das Kinder-Prinzenpaar aus Westberlin konnte erst im Bonbonregen beststehen.

Zwischen den unterschiedlichen Unterhalungsbeiträgen brachten Ost-Polizeigewerschaft und West-Kaufhauskette ihre Vertreter mit größeren Geldspenden für den guten Zweck in sehr verklemmte Gesprächsversuche. Der eine wurde versehentlich noch mit „Genosse Hauptmann“ angesprochen und der andere wollte sein Geld einem Bürgerkomitee überantworten. Beide Vorfälle wirkten sehr ähnlich. Egal, der Zweck wurde erfüllt und es gab lieben Beifall.

Wer der Hauptgewinner bei dieser nützlichen Aktion war, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich weder Kinderheim noch Supermarkt. Ungewollt lag über allem ein gewisser Kohldunst.

Die Konzerte gehen bis zum 5. März weiter. Ganz ohne Politik geht es aber doch nicht, am 4. März gehen Liberale und am 6. März sozial-demokratische Veranstalter auf Mäusefang. Es bleibt alles ganz anders.

PGP

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