Guerra bot schon im Januar Rücktritt an

■ Spaniens Premier Gonzalez lehnte den Rücktritt seines Stellvertreters ab / Offener Konflikt um Parteiströmung

Madrid (taz) - Neben mehreren scharfen ging am vergangenen Freitag in Spanien auch eine kleine politische Bombe hoch: Vizepremierminister Alfonso Guerra, der zweitmächtigste Mann im Staate, habe im Januar seinen Rücktritt angeboten, erklärte Premierminister Felipe Gonzalez, jedoch habe er, Gonzales, das Angebot abgelehnt. Damit wurde zum ersten Mal deutlich, wie stark die „Affäre Juan Guerra“ die Regierung getroffen hat, auch wenn sie dies versucht hat zu verschleiern.

Juan Guerra, Bruder von Alfonso, hat sechs Jahre lang in Sevilla ein öffentliches Amtszimmer benutzt, ohne eine Funktion innezuhaben und sich in dieser Zeit auf suspekte Weise bereichert. Das Finanzamt in Sevilla interessiert sich für hohe Einnahmen Guerras, die dieser nicht deklarierte, und ein Madrider Gericht untersucht die dubiosen Geschäfte des Herren, deren Zustandekommen häufig auf seiner familiären Nähe zur Macht beruhte.

Gonzalez verteidigte seinen Vizepremier und stellte ihn von jeder politischen Verantwortung für das Gebaren seines Bruders frei, obwohl dieser noch bis vergangenes Jahr als Sekretär für Alfonso tätig gewesen ist. Die durch den „Fall Juan Guerra“ heftig angegriffene Regierung versucht weiterhin, hart zu bleiben: Hatte er im Februar noch gedroht, er werde auch zurückzutreten, wenn sein Intimus Guerra gehen müsse, kündigte Felipe Gonzalez nun an, er werde die Legislaturperiode ausschöpfen. Dennoch kommt das Ungemach zuhauf: Nicht nur aus der Opposition, die den Politskandal nutzt, um sogar den Rücktritt von Gonzalez zu fordern, sondern auch aus den Reihen der Partei selbst.

Ricardo Garcia Damborenea, prominentestes PSOE-Mitglied, weigert sich, der Aufforderung der Partei nach Auflösung seiner Strömung „Sozialistische Demokratie“ nachzukommen. Er hatte die „Sozalistische Demokratie“ im vergangenen Jahr gegründet, um den Forderungen nach größerer innerparteilicher Demokratie Nachdruck zu verleihen. Zusätzlich soll noch ein Disziplinarverfahren gegen den Unbotmäßigen Damborenea eingeleitet werden, hatte er doch das Auftreten von Alfonso Guerra in Sevilla vor acht Tagen, als dieser in der Heimat der Sozialisten versuchte, sein ramponiertes Image mit starken Worten zu verbessern, als „frankistisch“ bezeichnet.

Antje Bauer