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OBERSPRENGER

„Reform des Romans“ heißt ein Aufsatz Döblins aus dem Jahr 1919. Klug-souveräne Seiten, auf denen Döblin mit Flakes Anspruch die Romanform in seinem neuen Werk „Die Stadt des Hirns“ gesprengt zu haben, ins Gericht geht. Döbins Antwort: „Ein Sprengungsversuch, wo nichts zu sprengen ist. Denn der Roman ist schon lange keine Form mehr.“ Döblin ist freundlich. Desto markanter sind die Stellen, an denen er deutlich wird: „Ich kann die Bemerkung nicht unterdrücken, daß es fatal ist, wenn man Geist bringen will und mit Verwechslungen ins Haus fällt.“ Ich mag Döblins Text nicht nur weil er leicht geschrieben, kühl-überlegen ist, sondern auch, weil ich denke, daß Döblin recht hatte und daß dem Wirbel, der inzwischen alle zehn Jahre wieder um eine „Sprengung der Romanform“ gemacht wurde und wird, Döblin 1919 schon ganz korrekt geantwortet hatte. Auch seine Kritik an Flakes Buch ließe sich Hochhuth, seinem heutigen Propagandisten, vorhalten: „Ich kann nur sagen, daß es denkbar einfach, nicht eigentlich unliterarisch, als vielmehr oft schlecht literarisch geschrieben ist.“ Ein Hinweis, den man nicht ernst genug nehmen kann. Wann immer man auf Klappentexten „makellose Prosa“ liest, darf man sicher sein, es mit schlecht literarischen Texten zu tun zu haben, Phrasen, denen man die Bemühung so sehr ansieht, daß man den armen Autoren aufhelfen möchte, bei ihrem mühseligen langatmigen Marsch durch die Institutionen unserer Syntax. Es sei denn, sie machen einen so crazy, daß man die Sache in die Ecke wirft. Beim frühen Döblin wird man das nicht tun.

In der Rede „Der Schriftsteller und der Staat“ aus dem Jahr 1921 erklärt Döblin: „In dieser Zeit der ersten freiheitlichen Bewegungen mit ihrem Wust von Programmen, ihren tausenderlei Begierden und Verranntheiten, ihrer kindlichen Dogmatik haben die Schriftsteller aufs schärfste an sich zu halten und zu wissen, welch feines und gefährliches Instrument sie in der Sprache besitzen. Schon in ruhiger Zeit beobachtet der Schriftsteller, daß etwas fatal Eigenwilliges in den Worten steckt: man glaubt zu schreiben und man wird geschrieben; der Schriftsteller hat ständig auf der Hut zu sein, um sich der Sprache gegenüber zu behaupten.“ Eine Warnung auch an die Damen und Herren, die in der entscheidenden Minute das entscheidend Verkehrte taten und einen „Aufruf für unser Land“ verfaßten.

Alfred Döblin, Schriften zu Ästhetik, Poetik und Literatur, Walter Verlag, 763 Seiten, 75 DM

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