Von „Reps“ verfolgt

■ Die Initiative „Unabhängiges Kontakttelefon“ zu Wahlkampfpraktiken in der DDR

„Der Wahlkampf in der DDR wurde unfair geführt“, dieses vorzeitige Resüme zog Jürgen Gensmer, Sprecher der Initiative „Unabhängiges Kontakttelefon“, Mittwoch auf einer Pressekonferenz.

Das Kontakttelefon, bereits vor anderthalb Jahren als oppositionelle Bürgerbewegung entstanden und u.a. Mitinitiator der „Gedächtnisprotokolle“ über die Ereignisse um den 7. Oktober in Berlin, hat sich seit Februar der Wahlbeobachtung verschrieben. Bei ihrer Arbeit stützen sie sich vor allem auf Informationen von Parteibüros und auf Anrufe aus der Bevölkerung - demzufolge beschränkt sich die Darstellung von Verstößen gegen das Wahlgesetz auf Einzelbeispiele. Die aber haben es in sich. Das Spektrum reicht vom Abreißen und Überkleben von Wahlplakaten über persönliche Verunglimpfungen und anonyme Bombendrohungen bis hin zu Körperverletzung.

Mit Bedauern konstatierte Jürgen Gensmer, daß der Mehrheitsbeschluß des Runden Tisches, keine ausländischen Wahlredner zuzulassen, vom DA und der CDU, später auch von anderen Parteien ignoriert wurde. Das hätte bei vielen Wählern die Orientierung in der Pareienlandschaft der DDR eher erschwert.

Auf die Wahlkampfpraktiken in den Betrieben eingehend, verwies Gensmer auf einige merkwürdige Überreste aus der Zeit des „Zettelfaltens“. So habe ein Wehrleiter von NARVA an Betriebsschutz und Feuerwehr die Anweisung gegeben, bereits angebrachte Wahlplakate „abzuschreiben und zu melden“.

Bekannt geworden ist der Fall einer jungen Frau aus Prenzlauer Berg, die beim Plakatekleben von ca. 20 Jugendlichen, die sich selbst als „Reps“ bezeichneten, verfolgt und geschlagen worden ist. Das VP-Revier Immanualkirchstraße habe bei der Aufklärung des Vorfalls eine unverständliche „Zurückhaltung“ an den Tag gelegt.

Oberst Preis, Stabschef des VP-Präsidiums, räumte vereinzelte Fehlreaktionen von VP-Angehörigen im Zusammenhang mit Wahlkundgebungen und Plakataktionen ein und entschuldigte sich dafür. Er verwies darauf, daß sich die Volkspolizei lediglich der Verfassung und dem Wahlgesetz verpflichtet fühle und für Wahlkampfaktionen, solange sie nicht faschistisches Gedankengut proklamierten, nicht zuständig sei. Seit dem 5. Februar hätte die Berliner VP im Zusammenhang mit der Wahl 18 kriminalistisch relevante Ereignisse registriert, davon 8 allein im Bezirk Prenzlauer Berg.

Dirk Winkler