: DDR schon 1989 „von kapitalistischen Kreditgebern abhängig“
Geheimpapier zur Wirtschaftssituation vom September 1989: Schulden der DDR bei West-Banken erfordern drastische Konsum-Einschränkungen ■ D O K U M E N T A T I O N E I N E R G E H E I M E N K O M M
A N D O S A C H E
Gerhard Schürer
Gerhard Beil
Alexander Schalck
Herta König
Werner Polze Geheime Kommandosach
b 5 - 1111/8
Berlin, 28. September 198
Entsprechend dem erteilten Auftrag haben die Genossen Schürer, Beil, Schalck, König und Polze darüber beraten, bis zu welcher Höhe die Entwicklung des „Sockels“ im Zeitraum bis 1995 als finanziell beherrschbar angesehen werden kann.
Im Ergebnis dieser Beratung kommen sie zu folgender übereinstimmender Einschätzung:
1. Die gegenwärtige Zahlungssituation der DDR im Handel mit dem NSW ist dadurch gekennzeichnet, daß wir zur Einhaltung unserer Zahlungsverpflichtungen aus Krediten und Zinsen sowie zur Durchführung jährlicher Importe bereits jetzt weitestgehend von kapitalistischen Kreditgebern abhängig sind.
Die jährliche Kreditaufnahme der DDR liegt bei 8-10 Mrd. VM. Das ist für ein Land wie die DDR eine außerordentlich hohe Summe, die bei ca. 400 Banken jeweils mobilisiert werden muß.
Kapitalistische Banken haben für ihre Kreditausreichung gegenüber sozialistischen Ländern - ebenso wie gegenüber Entwicklungsländern - Länderlimite festgelegt.
Auf Grund der bereits jetzt hohen Kreditaufnahmen sind die Banken nicht bereit, diese Limite für die DDR wesentlich zu erhöhen.
Die weitere Beschaffung von Krediten in den Jahren bis 1995 ist maßgeblich abhängig von
-der Wirkung politischer Faktoren auf die Kreditvergabebereitschaft kapitalistischer Banken und der Haltung der Regierungen solcher Länder wie Japan und der BRD, die zu den wichtigsten Kreditgebern der DDR gehören;
-der wirtschaftlichen Entwicklung der DDR, insbesondere der Außenhandelsentwicklung, der Kostenentwicklung, der Akkumulationskraft, der Geldstabilität, der Arbeitskräfteentwicklung usw.;
-der Beibehaltung relativ hoher Anlagen bei ausländischen Banken, die als Guthaben der DDR in Erscheinung treten, auch wenn es sich um Depositen und bereits mobilisierte, noch nicht eingesetzte Kredite handelt.
Bei Wahrung der Geheimhaltung über den tatsächlichen Charakter dieser „Guthaben“ tragen sie ganz wesentlich zum Ansehen der DDR als solider und zuverlässiger Kreditnehmer bei.
Unter Berücksichtigung aller dargestellten und zum Teil durch uns nicht beeinflußbaren Faktoren ist die Bestimmung jährlich finanzierbarer Kredite bis 1995 nicht mit absoluter Sicherheit und Garantie möglich.
Unter der Voraussetzung, die jährliche Kreditaufnahme von 8 -10 Mrd. VM in den Jahren bis 1991 fortzusetzen - das wird aus gegenwärtiger Sicht von uns für möglich gehalten - wird eingeschätzt, daß der zu finanzierende Ausgabeüberschuß 1995 maximal 40-45 Mrd. VM betragen kann, was mit außerordentlich hohen Belastungen an Kosten und Zinsen verbunden ist.
Dabei ist jedoch unterstellt, daß alle vereinbarten und noch nicht voll in Anspruch genommenen Kredite eingesetzt, wodurch die im Ausland gegenwärtig unterhaltenen Guthaben reduziert werden.
2. Ausgehend von diesen maximalen Finanzierungsmöglichkeiten und unter Berücksichtigung des 1989 voraussichtlich eintretenden Importüberschusses von 0,2 Mrd. VM reichen die dem bisherigen Konzept zugrunde gelegten Exporte nicht aus.
Die zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit der DDR unabdingbar notwendigen Exporte bis 1995 betragen: - Mrd. VM
Exporte: 1989: 12,2; 1990: 14,1; 1991: 17,0; 1992: 19,5; 1993: 22,0; 1994: 23,0; 1995: 24,0
Dabei wird ab 1991 von einem im wesentlichen gleichbleibenden Import von 12,5-12,8 Mrd. VM ausgegangen.
Trotz dieser hohen Exportüberschüsse entwickeln sich der „Sockel“ und die Ausgabeüberschüsse wie folgt: 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 Ausgabeüberschuß
(Zwischenfinanzierung): 20,7 27,0 34,9 39,8 42,9 44,7 45,2 Sockel:
-41,8 -47,6 -54,7 -56,6 -56,2 -55,1 -52,6 Das ist darauf zurückzuführen, daß aufgrund des hohen Standes der Verschuldung die Kosten und Zinsen für die Kredite die geplanten hohen Exportüberschüsse noch übersteigen und wie folgt anwachsen:
Kosten und Zinsen:
5,6 7,0 8,2 7,8 8,4 8,6 8,7 Es muß ausdrücklich hervorgehoben werden, daß die geforderten Exporte unter allen Umständen materiell zu untersetzen und zu realisieren sind. Jede Nichtbereitstellung der jährlich geplanten Exporte muß unmittelbar Importkürzungen in gleicher Höhe zu erfolgen haben. Bei dem jetzt erreichten Niveau unserer Verschuldung würde eine Unterschreitung der geforderten Exportziele unweigerlich die Zahlungsunfähigkeit bedeuten.
3. Für die weitere Arbeit am Plan 1990 und an der Konzeption für 1991-1995 bedeutet diese Forderung, daß prinzipielle Entscheidungen zur materiellen Untersetzung und tatsächlichen Bereitsstellung verkaufsfähiger Exportfonds getroffen werden müssen. Nach dem gegenwärtigen Stand der Planberatungen mit den Ministern fehlen allein gegenüber den STAG 1990 noch Exportfonds von: 1,2 Mrd. V
und es werden mehr Importe von: 1,3 Mrd. V
gefordert.
Das bedeutet, daß für ca. 12 Mrd. M volkswirtschaftliches Endprodukt zugunsten des NSW-Exports bzw. zu Lasten des Imports in den Bilanzen entschieden werden muß.
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