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Filme unter dem Pflaster von Paris

■ Videothek in Paris hat 3.200 Titel im Angebot / Bisher 150.000 Besucher

Paris (afp) - Wer in Paris einen Krimi mit Jean Gabin, Wochenschauen aus dem Zweiten Weltkrieg, Werbespots der Sechziger Jahre, einen Dokumentarfilm über den Weinhandel oder alles zusammen anschauen will, kann das in der Videothek, die in den zwei Jahren ihres Bestehens auf 3.200 Titel aller Art angewachsen ist. 150.000 Besucher haben in dieser Zeit Filme gesehen. Das Publikum ist vorwiegend jung, überdurchschnittlich gebildet und hat Zeit, fast die Hälfte sind Schüler und Studenten.

Die „Videotheque de Paris“, im architektonisch und sozial modernen Hallen-Forum mitten in der Stadt unterirdisch installiert, funktioniert wie eine öffentliche Bücherei, in die jedermann hineingehen und in den in Büchern herumblättern oder sie von vorn bis hinten durchlesen kann. Die Kataloge allerdings sind hier elektronisch gespeichert, und das Bild ersetzt das gedruckte Wort. Zum Eintritt von 18 Francs (rund 5,50 DM), halb soviel wie eine Kinokarte, kann man den ganzen Tag hier verbringen.

Gemeinsam ist den unterschiedlichen Filmen vom spröden Dokumentarstreifen bis zum Revuefilm der Bezug zu Paris, und sei er auch noch so entfernt. Schließlich wird die Videothek mit einem Betriebsbudget von 30 Millionen Francs in diesem Jahr (neun Millionen DM), voll von der Stadt finanziert.

Die Programme sind im Monatsrhythmus thematisch strukturiert und haben oft einen aktuellen Bezug - da gibt es einen Sartre-Zyklus zu dessen 10. Todestag, eine Reihe über de Gaulle (zum 100. Geburtstag), „Paris-Jazz“ während des Jazz-Festivals. Zwei Säle mit je 100 bis 300 Plätzen stehen zur Verfügung.

Filme a la carte kann man sich in einem mit 30 Bildschirmen und ebensovielen schallisolierten Plätzen ausgestatteten Raum anschauen. Der Zuschauer kann nach Belieben mit Hilfe eines Computerterminals im Angebot umherspazieren, den Computern nach allen denkbaren Stichworten abfragen, nach Stadtvierteln oder Straßen, Filmtiteln oder Namen. Auf dem Bildschirm erscheinen jeweils eine Titelliste und eine Kurzbeschreibung zu jedem Dokument, auf Knopfdruck läuft der Film ab, kann gestoppt, vor- und zurückgespult werden.

Zunehmend wird die Videothek für wissenschaftliche Zwecke genutzt. Vor der Gefahr, als eine Art billiges Dauerkino zweifelhafte Gäste anzulocken, schützt das hohe Niveau der Bestände, in denen weder Horror noch Klamauk Platz haben.

In diesem Jahr will die chefin des Hauses, Veronique Cayla, vor allem ihre Sammlung von ausländischen Wochenschaubeiträgen aus dem Zweiten Weltkrieg ergänzen und sich auch historisch bedeutsamen Amateurfilmen jener Zeit zuwenden. Ihr schwebt vor, verschiedene Filmdokumente vom gleichen geschichtlichen Moment nebeneinanderzustellen. Wie unterschiedlich die trotz der vermeintlichen Objektivität der Kamera ausfallen, beweist der Vergleich eines deutschen und eines französischen Wochenschaubeitrages und eines Amateurfilms, die alle am Tag der Befreiung von Paris auf demselben Platz der Stadt entstanden.

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