Was tun, wenn der Strom ausfällt?

■ Gespräche und Projekte zu „Medien der Zeit“ am „Tag der Künste“ im Kulturbund-Klub / Publikum schien über Kreis der Macher und Sympathisanten kaum hinauszugehen

„Medien der Zeit“ war am Sonnabend das Angebot zum „Tag der Künste“ im Club der Kulturschaffenden „Johannes R. Becher“ überschrieben. Die rosigen Jahre der Kultur zum Nulltarif sind vorbei - einen Obulus von 3,50 Mark mußte berappen, wer das schöne Haus in der Otto-Nuschke-Straße durchschreiten wollte.

Die Veranstalter hatten sich vorgenommen, alle Vorführungen und Diskussionen oben genanntem Generalthema zuzuordnen. Da lag nichts näher, als in der Galerie im Erdgeschoß einen ständig bunte Instant-Visionen ausstrahlenden Fernseher zu installieren. Der elektronische Guckkasten symbolisiert wohl wie kein zweites technisches Gerät Traum und Alptraum der totalen Kommunikation im Orwellschen Zeitalter.

Als zu Beginn der Veranstaltung Conrad Bauer neben eben diesem Color-TV seine Posaune auspackte, ahnte ich es sofort - eine „multimediale Performance“ stand ins Haus. Dann Originalton Bauer: „Will hier jemand unbedingt den Fernseher hören?“ Klick. Kurz nach seinem wundervollen Solo lief der Apparat wieder. Warum? Abends guckten jedenfalls zwei Gören ihr Sandmännchen.

Ziemlich müde ging es im Haus auch schon vor dem Bildschirm -Auftritt des spitzbärtigen Medien-Stars aus Adlershof zu. Der Programmzettel hatte zwar ein straffes sechsstündiges Nonstop-Angebot ausgewiesen, was sich aber hinter den einzelnen Positionen wirklich verbarg, war zum Teil dürftig. Im Kinosaal liefen als „Experimentalfilme“ angekündigte Streifen aus der Babelsberger Hochschulzeit von Helke Misselwitz, Herwig Kipping und Peter Welz. Das waren zweifellos interessante Arbeiten, nur entbehren sie eben jenen Neuigkeitswert, der die Präsentation von Hochschulfilmen sonst so attraktiv macht.

Kläglich gefüllt zeigten sich die Vorführräume auch, als Produktionen von Leningrader Avantgarde-Filmern, dem Verband Bildender Künstler und von der Westberliner Freien Video -Werkstatt vorgestellt wurden. Überhaupt schien mir das Publikum über den Kreis der Macher und deren eingeschworene „Sympathisanten“ kaum hinauszugehen.

Daß der terminus technicus Medium nicht nur Mattscheibe assoziieren muß, machte eine internationale Ausstellung von „Mail Art“ klar. Hier wird der Medienbegriff ganz wörtlich genommen, auf die Mittlerfunktion der Post bezogen. Unmöglich, all die originellen und kunstvollen Varianten der Gestaltung von Briefkuverts und Postkarten aufzulisten. Allerdings möchte ich mal die Augen eines hiesigen Postbeamten sehen, wenn ihm eine ordnungsgemäß frankierte Tüte „Rote Grütze“ unter den Stempel kommt ...

Ein Vortrag war mit „Das Musikvideo als neue Kommunikationsform“ überschrieben. So akademisch wie sie klingt, ließ sich die Lektion in Sachen „Musikprodukt Ästhetik“ tatsächlich an. Für mich Grund genug, nach einer Viertel Stunde den Block zuzuklappen und in der Bibliothek des Hauses gemeinsam mit zirka fünfzehn Interessenten dem Komponisten Peter Gotthard bei seinem Exkurs in die Geheimnisse der Filmmusik zu folgen.

Der seit 25 Jahren als Filmmusiker unter anderen für Winfried Junge, Heiner Carow und Achim Hübner tätige Künstler verdeutlichte, daß die Musik auch im Medium Film eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Da war zu erfahren, daß sich Klaus Doldinger bei seinem Sound-Track zu „Das Boot“ an Richard Strauss angelehnt hatte und Charlie Chaplin sein Tänzchen mit dem Globus in „Der große Diktator“ nach Richard Wagners „Tristan„-Vorspiel vollführte. Den größten Eindruck hinterließen bei mir Sequenzen aus Alan Parkers Verfilmung des Pink-Floyd-Albums „The Wall“, die für Gotthard eine der genialsten und adäquatesten optischen Ausdeutung vorhandenen musikalischen Materials darstellt. Hoffentlich ist das gesamte Opus auch mal hier im Kino zu sehen.

Angesichts permanenter D-Mark-Euphorie hörte ich einen von ihm komponierten Puhdys-Oldie aus „Die Legende von Paul und Paula“ mit völlig neuen Ohren: „Geh zu ihr ... denn du lebst ja nicht vom Moos allein.“ Wie wahr.

Frank Junghänel