West-Gewerkschaften für 1:1 - mit Abschlägen

■ Westberliner Gewerkschaften und der Tag X / 1:1-Löhne in der DDR ja, aber zunächst in der jetzigen Höhe und unter Berücksichtigung der „zweiten Lohntüte“ und der Subventionen / Heute Großdemo in Ost-Berlin zum „Neubeginn mit Wahlbetrug“ ohne West-Gewerkschafter

„Ein Neubeginn mit Wahlbetrug? Mit uns nicht! Gewerkschafter fordern 1:1“. Unter diesem Motto demonstrieren heute in Ost -Berlin und allen großen Städten der DDR die Einzelgewerkschaften und der FDGB gegen den geplanten Umtauschkurs von 2:1. Die Westberliner Gewerkschaften und ihr Regionalauschuß haben zu dieser Demonstration zwar nicht mit aufgerufen und werden auch keine Solidaritätsredner auf die Abschlußkundgebung am Lustgarten (Beginn 17.30 Uhr) schicken - sind aber, genau wie ihre Kollegen im Osten, unbedingt dafür, daß die Löhne nach der Währungsreform in einem 1:1-Verhältnis ausgezahlt werden.

„Ein Währungsschnitt mit 2:1-Löhnen wäre für unsere Gewerkschaft tödlich“, befürchtet der Vorsitzende der IG Bau -Steine-Erden, Egon Vouilleme, „die Baufacharbeiter von drüben würden bei diesen Lohndisparitäten auf den ohnehin engen Westberliner Arbeitsmarkt drängen, Schwarzarbeit und Pendlertätigkeiten würden zunehmen, und die Handwerksbetriebe drüben könnten zumachen.“

Vouilleme will daher, daß die bestehenden Löhne in der DDR in voller Höhe in DM ausbezahlt werden - und zwar möglichst bald. Ein Problem, dem die Bundesbankpolitiker bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben, sei aber die sogenannte „zweite Lohntüte“. Diese schließt betriebliche Sozialleistungen, wie etwa Ferienheime und Mittagstisch etc., ein, ist also ein zusätzlicher Naturalienlohn, der in der Bundesrepublik aber Bestandteil des Bruttolohns ist. Um das Lohnniveau in einer zukünftigen Wirtschafts- und Währungsunion nicht zu verzerren und längerfristig eine Vereinheitlichung der Ost-/West-Löhne zu erreichen, sei es daher von „großer Wichtigkeit“, daß dieser Extralohn in dem Maße abgebaut wird, wie normale Lohnerhöhungen durchgesetzt werden. Im Klartext heißt das bei Vouilleme: Die Ost-Löhne müssen in Westmark ausbezahlt, die „zweite Lohntüte“ aber abgeschafft und entsprechende Lohnerhöhungen durchgesetzt werden.

Auch Manfred Foede, Bezirksvorsitzender der IG Metall, möchte, daß die bislang niedrigen Lebenshaltungskosten und die betrieblichen Subventionen bei einer künftigen Lohngestaltung mit berücksichtigt werden. Als Sofortmaßnahme müßten die DDR-Löhne daher in einem 1:1-Kurs ausbezahlt werden, denn „die Kaufkraft der DDR-Bürger darf nicht sinken“.

Foede schlägt aber für eine längerfristige Angleichung der Löhne in Ost und West einen völlig umgekehrten Weg als Vouilleme vor. Er tritt dafür ein, daß in der DDR mit den bereits bestehenden Arbeitgebervereinigungen West-Löhne ausgehandelt werden, die in etwa gleicher Höhe liegen wie in West-Berlin. Diese Ecklöhne werden aber, solange die Lebenshaltungskosten staatlich subventioniert bleiben, um eine entsprechende Summe reduziert.

Dieses gleiche „Tarifabschlagssystem“ soll ebenfalls angewandt werden, um die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe herzustellen beziehungsweise die Werktätigen von rationalisierten Joint-venture-Betrieben nicht gegen Kollegen von Handwerksbetrieben auszuspielen.

Manfred Foede: „Wir müßten möglichst unsere Tarifverträge in die DDR rüberbringen und uns über Abschläge unterhalten, damit bei steigender Produktivität auch drüben diese Abschläge abgeschafft werden können und wir an dem TageX gleiche Löhne haben“.

aku