: Leather Nun
■ Liebe in der Vergangenheitsform
Leather Nun-Sänger Jonas Almquist (Foto: Roland Owsnitzki)
Schweden ist so wie Amerika. Leather Nun kommen aus Schweden. Alle hundert Kilometer gibt es eine kleine Stadt. In der Stadt verbringt die Jugend ihre Zeit mit exzessivem Cruising. Fahren herum ohne Sinn und Ziel. Ein wenig onanistisch. Ein bißchen einsam und deprimiert. Auch melancholisch.
In der Mitte der Stadt, gleich neben der Kirche ist eine Peepshow. Da wird eine Frau gedreht. Alkohol gibt es nicht (erst wieder in Warnemünde). Und jede Minute die Kabine wechselnd dreht sich der Mann um die Frau. »That's a substitute of life«. Nicht mehr und nicht weniger.
Wir sind in Skandivavien. Dort schauen die Leute nur mit oberflächlichem Interesse und ohne innere Aufregung (beim Festival in Roskilde) einer Frau in Leder und Gummi zu, die sich als Bild am Kreuz hat festmachen lassen und pathetische Peitschenschläge eher stoisch über sich ergehen läßt.
Der Sommer ist längst vorbei. Niemand liest mehr Bücher am Strand. Wenn sie was sagt, oder die Liebe spricht, tut sie es nur in der Vergangenheitsform. Denn in der Gegenwart sind wir beim Ernst des Lebens. Und der Ernst des Lebens ist eine Ersatzfunktion (und wird vom Senat bezahlt).
Ein paar Männer machten sich auf wie Siedler. Mit ihren Motorrädern kamen sie mindestens bis in die übernächste Stadt. Dort gaben sie ein bißchen an. Doch hinter harten flachen Männerbrüsten schlägt ein sehnsüchtiges Herz.
Sie fanden Genossen wie Genesis P. Orridge, Banden wie Throbbing Cristle oder Psychic TV. Das nur noch von ferne. Denn das ist fast zehn Jahre her.
Als sie zurück nach Hause kamen, stand da immer noch Frida (die von ABBA) und verkaufte T-Shirts in einer blitzsauberen Küche. Eigentlich war es da schon zu spät, »Fistfuckers« für sie zu schreiben (doch damit hob sich der Sexismus auf).
Ein paar Jahre später, im blauen Zelt in Roskilde, war es wieder zu spät (also auch nicht schwulenfeindlich), »Fistfuckers« auf Michael Jackson zu münzen. Trotzdem hoben alle begeistert die Faust, weil drei Jahre Pause, in denen sie zu »International Heroes« (LP-Titel) wurden, nun auch schon wieder zu Ende waren. Detlef Kuhlbrodt
Um 20.30 Uhr im Loft
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen