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2:0 für die H. Monists

■ Die »H.Monists« singen a cappella Kreisler, Morgenstern und Schwitters

A cappella — das ist die Krönung der musikalischen Schöpfung. Wenn kein Verstecken hinter mächtigen Baßläufen, keine Orientierung am allwissenden Piano mehr möglich ist, dann offenbart sich nackt und klar, was bleibt: in diesem Fall fünf harmoniesichere Herrenstimmen der Berliner Sangesgemeinschaft »H. Monists«. Für ihr eineinhalbstündiges Programm Des Wü(r)stlings Wunderhorn haben sich die drei Tenöre und zwei Bässe in knielange Herrenschoßröcke gesteckt, Vatermörder um die Hälse gewirkt und ihre weißen Hemden aufgebügelt. So wie sie da auf der kleinen Bühne des Café Schalotte stehen, erinnern sie auffallend an die legendären Comedian Harmonists, und das ist Absicht.

Die vielstimmige Geschichte vom Onkel Bumba aus Kumumba ist ihr Opener für unsere Lachmuskulatur. Und dann geht es vorbei am Kleinen grünen Kaktus querbeet durch alles, was in Sachen (musikalischem) Cabaret Rang und Namen hat: Von Kreisler bis Monty Python ist zugegeben es ein weiter Weg, aber — wie es zu beweisen galt — kein unbegehbarer. Und was bisher als kakophone Lyrik daherkam, wird von den H.Monists kurzerhand kantilenisch vertont: Christian Morgenstern, Joachim Ringelnatz oder gar Kurt Schwitters (re)zitieren die fünf belesenen Sangesbrüder auf die Bühne. Das ist nicht nur auf einem hohen Niveau komisch, sondern klingt auch noch gut, ist intelligent zusammengestellt und kurzweilig vorgetragen.

Der choreographischen Einrichtung von Sabine Schöttle ist es zudem zu verdanken, daß es auf dem Podium nicht nur etwas zu hören, sondern auch noch einiges zu sehen gibt. Mit wenigen Requisiten zaubern die drei Tenöre Julian Metzger, Rainer Tietzsch und Ralf-Dietrich Schulz gemeinsam mit ihren beiden Bässen Reimund Schmelcher und Christoph Moericke einen lesenden Marabu auf die Bühne, um gleich darauf in memoriam Georg Kreisler Das Taubenvergiften im Park zu üben. Während des berühmten Tanzes um das goldene Kalb kommen Dreieinhalb unschöne Geschichten zu Gehör, angelegentlich einer kleinen Siesta werden wir Ohrenzeugen eines höchst philosophischen Streitgesprächs zwischen Sophokles (Gott hab ihn selig!) und seinen Kumpanen oder erleben die Faszination von Rainer Schurwolle neu. Für alle kulturell Ungebildeten bedeutet uns ein Hinweisschild mit Dürers Betenden Händen, wann es zu klatschen und wann es stille zu verharren gilt. Lacher sind vom Umtausch ausgeschlossen.

Die H.Monists singen mittlerweile seit acht Jahren zusammen, und zwar ausschließlich A-cappella- Sätze. Mit ihrem dritten abendfüllenden Programm bieten sie wieder ein kurzweiliges Kleinkunstprogramm, das am vergangenen Wochende all jene überzeugte, die sich trotz Fußball-Endspiel nach Charlottenburg aufgemacht hatten. 0:2 stand es am Ende in Schweden für Bertis Mannen; in Charlottenburg stand es 2:0 für die H.Monists, die heute in der Neuköllner Oper hoffentlich eine etwas weniger knarrende Bühne zur Verfügung haben: Denn die knirschende Obertonreihe der Holzdielen im Café Schalotte war der einzige Mißklang, der mein Ohr etwas zu verstimmen vermochte. Klaudia Brunst

Die H.Monists: heute und morgen um 20Uhr in der Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131/133

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