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Ein Flipper namens »Robot«

■ Die Fellow Travellers spielten im Huxley's Junior

Der Rhythmus schlurft bedächtig, wie der nette alte Alkoholiker von nebenan, der sich gerade im Supermarkt seinen Sechserpack, seinen halben Liter Korn und zwei »Lila Pause« geholt hat und nun auf dem Weg nach Hause ist, sein Tagwerk zu vollbringen. Er ist nicht allzu schnell, aber er schaut sich auch nicht um, es gibt nichts, was ihn überholen könnte, und er weiß, daß er dort anlangt, wo er hin muß, um seine Schätze ihrer Bestimmung zuzuführen.

Ähnlich oberflächlich unberührt, aber doch voll überzeugt vom eigenen Tun gehen die Fellow Travellers ihrem Geschäft nach. Da tröpfeln Schlagzeug und Baß sachte im Off- Beat, trötet die Posaune, Beine knicken vorsichtig auf Kniehöhe ein, nur unmerklich überträgt sich der so völlig beherrscht und doch aufdringlich nebenher vorgetragene Rhythmus auf die Zuhörer, die noch unentschlossen einfach nur so dastehen. Dann, spätestens bei »A Few Good Times«, beginnen einige, mehr als nur das Knie zu knicken, wiegen sich in den steifen Hüften oder hoppeln auf der Stelle — nicht zu hoch, eher wie ein Preßlufthammer in Zeitlupe.

Doch mehr möchte einfach nicht passieren. Die ständige Wiederholung des Ewiggleichen hat dieses Mal keine tranceartige Wirkung, und die Bewegungen werden wieder zaghafter. Aber die Menschen auf der Bühne scheint dies wenig bis gar nicht zu kümmern, sie verharren in ihrer schlicht vortragenden Pose, das langhaarige Wesen schlägt immer noch und immer wieder stoisch das Tamburin, der Posaunist steht wie festgewachsen in seinen viel zu weiten Jeanshosen, nur der Sänger ringt sich von Zeit zu Zeit ein verschmitzt- verschämtes Honigkuchenpferdlächeln ab.

Fast scheint es, als wäre die Musik dieser Engländer, die nach Amerika umzogen und auf die krude Idee kamen, Folkmusik mit Dub-Reggae- Rhythmen zu spielen, so kopflastig, so ausgedacht von der Band selbst, daß sie selbst keine Freude mehr verspüren, die sich aufs Publikum übertragen könnte. Es ist nicht unbedingt Arbeit, was sie da vollziehen, aber es wirkt nicht gerade wie das, was sie immer spielen wollten. Sie spielen nicht, als würden sie alles dafür hingeben. Als hätten sie eine Wette verloren und wären nun verpflichtet zu beweisen, daß es Folk-Reggae geben kann. Schwankend zwischen pflichtschuldigst und begeistert, verlangt das Publikum die Zugaben, und der Trommler fragt gleich zweimal nach, ob man »sure« sei, noch mehr hören zu wollen.

Im Vorraum steht ein Flipper namens »Robot«, der auch schon bessere Zeiten gesehen haben muß. Das Gerät ist völlig ausgeleiert, um eins der Targets unter die Spieloberfläche zu befördern, muß die Kugel es mit voller Kraft treffen. Von Rampen kann man nur träumen, so wie von der Platte, die sich in den letzten Tagen so häufig um den Teller drehte und Erinnerungen weckte an milde, viel zu schöne Sommer, die nie wieder geschehen werden. Wir spielen fast passend zum Rhythmus, als hätte sich der Flipper perfekt der ihn umgebenden Musik angepaßt. Danach schlurfen auch wir nach Hause. Kein Supermarkt mehr offen. Thomas Winkler

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