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Bestattungen knallhart kalkuliert

■ Jungbestatterin sorgt mit "bestattungscenter" für Wirbel in der Beerdigungs-Szene

Bestattungen knallhart kalkuliert

Jungbestatterin sorgt mit „bestattungscenter“ für Wirbel in der Beerdigungs-Szene

Ihr Traum, das wären lila Leichenwagen — dunkellila, versteht sich — und ein paar Werbeminuten im Fernsehen: „Ich würde das aber eher künstlerisch aufziehen, ohne Särge und Bürobilder.“ Davon wird Dagmar Breiling (28), Bremer Jungbestatterin, wohl noch lange träumen: Seit jeher versteckt sich die Branche hinter einem schwarzsamtenen Vorhang aus Pietät und Diskretion — für Werbung gibt es allerstrengste Auflagen.

Und so sorgte ein Flugblatt, das den BremerInnen vor kurzem 150.000fach in die Briefkästen flatterte, in der Bremer Bestatter- Szene für Aufruhr: Für anonyme Feuerbestattung mit garantiertem Endpreis warb das neue „bc bestattungscenter“ — ihr Slogan: „Bestattungen knallhart kalkuliert“.

„Da haben die Kollegen sich die Mäuler zerrissen“, sagt Dagmar Breiling, studierte Volkswirtschafterin und Bestatterin in der vierten Generation. Ihrem Vater, Schriftführer im hiesigen „Verband Deutscher Bestatter“, wurde gar nahegelegt, im Zuge der Sippenhaft sein Amt niederzulegen. Doch Anfeindungen nimmt die Jungunternehmerin durchaus gelassen: „Ich dachte mir schon, daß einige den Aufstand proben werden — aber sie werden damit leben müssen.“

Hätte nicht sie mit Light-Beerdigungen angefangen, wäre es jemand anders gewesen: „Gutbürgerliche und pompöse Beerdigungen, die gibt's woanders. Aber die Leute haben in Sachen Bestattungen mittlerweile ein ganz normales Preisbewußtsein entwickelt.“ Und daß sie nur 'Armenbegräbnisse' abwickeln wird, glaubt Dagmar Breiling nicht: Das Sterbegeld der Versicherungen wurde 1989 drastisch gesenkt, und plötzlich stehen nicht wenige vor dem Bankrott, wenn sie ihre verstorbenen Partner unter die Erde bringen müssen.

hierhin bitte die junge Dame

„Ich habe nie im Sarglager Verstecken gespielt“

Und so räumt die Lady gleich noch gründlich auf mit all der Gravität, die die traditionellen Bestatter umgibt. In einem Beerdigungsinstitut ist es immer gedämpft und dunkel? Falsch. Die drei Büros des „bc bestattungscenter“, seit September eröffnet, haben keine Särge, sondern kleine Werbeschilder für „bequeme Zahlung in 72 Monatsraten“ im Fenster. Die Wände sind weiß gestrichen, ein lila Teppich vermittelt gleichzeitig ein gediegenes und freundliches Gefühl. „Sonst hat das alles immer so mystischen Charakter“, sagt Dagmar Breiling, „bei uns ist alles hell und offen.“ Ein Schreibtisch, ein Computer, ein runder Besprechungstisch aus Glas, eine Kaffeemaschine, das ist alles. Keine Ausstellungs- und Aufbahrungsräume, keine Trauerfeierhallen, keine Grabgestecke, — das „bestattungscenter“ ist ein reines Verkaufs- und Organisationsbüro für Beerdigungen.

Mit einem kleinen Angebot läßt sich sparsamer arbeiten, also besteht es hier aus genau sechs Varianten: Erd- und Feuerbestattung, jeweils in einfacher, mittlerer und gehobener Kategorie, wahlweise mit Pappmachee-Urne, einfacher oder verzierter Urne aus vergänglichem Metall, Särgen aus gemasertem Kiefernholz, Nadelholz mit Kirschbaum-Furnier oder Eiche. Und das alles variabel mit und ohne Aufbahrung und Trauerfeier.

Aufgebahrt und hergerichtet — was im übrigen nur darin besteht, die Toten anzuziehen und ihnen das Haar zu kämmen — werden die Verstorbenen im elterlichen Beerdigungsinstitut, aus dem sich Dagmar Breiling nach zwei Jahren Mitarbeit ausgeklinkt hat. Die Investitionskosten für die eigene Firma waren schon gespart. Doch bleibt durchaus genug Arbeit übrig, Beispiel Feuerbestattung: Da bedarf es jedesmal noch einer Extra-Genehmigung, denn um jeden später nicht mehr nachweisbaren Mordverdacht auszuschließen, muß ein Amtsarzt vor der Einäscherung einen Blick auf die Leiche werfenDen Rund-um-die- Uhr-Telefondienst, die Gespräche mit den Angehörigen, den ganzen Papierkriegund die Organisation von Trauerfeiern übernimmt das bc-Team, das so seine Brötchen nebenher verdient — es besteht nämlich fast ausschließlich aus StudentInnen.

„Man hat doch immer einen alten, faltigen, knöchrigen Herrn im Kopf — für die Angehörigen ist es vielleicht ganz angenehm, daß da mal jemand Junges sitzt. Und StudentInnen sind relativ intelligent und fit — wieso sollten sie die Arbeit schlechter machen als normale Angestellte?“ Doppelt zufrieden kann die Chefin sein, kosten sie doch auch keine Sozialabgaben.

„Ich versuche einfach, den Laden logisch aufzuziehen und da eine Linie reinzubringen“, sagt Dagmar Breiling. Selbständig wollte sie nach ihrem Studium werden, und warum dann nicht in der Branche, in der sie sich auskennt. „Ich habe keine Angst vorm Sterben“, sagt sie von sich. Ihr Urgroßvater gründete am 1. April 1897 ein Bestattungsunternehmen mit Tischlerei, die Urenkelin ist mit dem Beeerdigungsgeschäft großgeworden. „Zuhause war das nie ein Thema, und meine Schwester und ich haben nie im Sarglager Verstecken gespielt oder so. Aber obwohl meine Eltern das Thema Tod von uns ferngehalten haben, gehörte das halt dazu.“ Mit 17 Jahren fing Dagmar Breiling an, im elterlichen Unternehmen mitzuarbeiten — in der Telefonzentrale. „Mit dem Thema Tod bin ich heute durch“, sagt sie. „Der Tod ist für mich sicher nicht leichter als für andere — aber natürlicher“.

Susanne Kaiser

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