: Bürgerschaftswahl 1991 vor dem Kadi
■ CDU-Rebellen klagen gegen Kandidaten-Auswahl der Union / Und vielleicht gibt es sogar noch in diesem Jahr Neuwahlen
klagen gegen Kandidaten-Auswahl der Union / Und vielleicht gibt es sogar noch in diesem Jahr Neuwahlen
Wird es in diesem Jahr noch Neuwahlen zur Bürgerschaft und zu den Bezirksversammlungen geben? Mit dieser Frage wird sich von morgen an das Hamburgische Verfassungsgericht in einer dreitägigen Verhandlung befassen.
Ein Urteil könnte unter Umständen schon am Freitag gesprochen werden. Der sogenannte „CDU- Rebell“ Markus Ernst Wegner hat zusammen mit vier weiteren Personen die Bürgerschaftswahl sowie die Wahlen zu den Bezirksversammlungen vom Juni 1991 angefochten.
Kernpunkt der Wahlanfechtung ist das Verfahren, mit dem die Hamburger CDU ihre Kandidaten für die Parlamente aufstellt. Wegner wirft der Union vor, die Kandidatenlisten in undemokratischer Weise zusammengestellt zu haben. Gegenvorschläge von der Parteibasis waren praktisch nicht möglich. Die Union hat dieses Verfahren vor einigen Wochen — quasi in vorauseilendem Gehorsam — bereits leicht verändert.
Wegen seiner Kritik war Wegner in den vergangenen Jahren mehrfach aus dem CDU-Landesverband ausgeschlossen worden, ebensooft erhielt er jedoch vom Bundesparteigericht der CDU Recht. Es bescheinigte Wegner, daß die Kandidatenaufstellung der Hamburger CDU nicht mit dem innerparteilichen Demokratieverständnis vereinbar sei und sogar gegen das Demokratiegebot des Grundgesetzes verstoße.
Wegner und seine Mitstreiter möchten jetzt vom Hamburgischen Verfassungsgericht wissen, „ob die gerügten Wahlfehler innerhalb der CDU Hamburg vorliegen“, und wenn ja, ob die Bürgerschaft richtig zusammengesetzt ist. Sie gehen davon aus, daß das Verfassungsgericht gar nicht anders kann, als Neuwahlen anzuordnen. Zwar wäre es auch möglich, daß die
1Richter ihnen in der Sache Recht geben, aber wegen der schwerwiegenden Folgen sich nicht für Neuwahlen aussprechen. Diese Möglichkeit hält Helmut Stubbe-da Luz, Chef der Bürgerrechts-Organisation „Demokratische Offenheit“
1(DemO), jedoch eher für unwahrscheinlich. „Kein Verfassungsrichter fällt einen Spruch, der relativ leicht von der nächsten Instanz revidiert werden kann.“
Stubbe-da Luz hat zusammen mit Wegner eine gleichlautende Beschwerde vor dem BVG laufen, und die BVG-Richter warten ab, was ihre Hamburger Kollegen entscheiden. Doch nicht nur dadurch steckt das Hamburger Verfassungsgericht in einer Bredouille. Wegner ist es gelungen, insgesamt vier Richter wegen möglicher Befangenheit aus dem Verfahren zu katapultieren. Somit ist nicht nur das Verfahren selbst ein Novum in der deutschen Nachkriegsgeschichte, sondern auch, daß das Hamburgische Verfassungsgericht morgen nicht in voller Besetzung präsent sein wird. Norbert Müller
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