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„Ich kämpfte für meine Farben“

■ Die Grafikerin Marty Brito aus Chile stellt heute abend im Ortsamt Mitte ihr Buch vor

Aus kräftigem Blau blickt der Geist auf die Farben der Erde. „Wohin gehen die geträumten Dinge?“ hatte der chilenische Dichter Pablo Neruda gefragt. Ein achtjähriges Kind aus Santiago de Chile wußte Antwort: „Sie treffen sich mit anderen Träumen.“ Pablo Neruda hat Zeit seines Lebens viele solcher Fragen gestellt; die Lehrerin einer Santiagoer Grundschule ließ ihre SchülerInnen darauf antworten, hat alles gesammelt und unter der Regierung Allende in einem kleinen Underground- Büchlein veröffentlicht.

„Zufällig ist dieses Buch dann hier in Bremen in meine Hände gekommen.“ Marty Brito hat sich von der Idee dieses poetischen Frage- und Antwortspiels inspirieren lassen, es neu gestaltet und illustriert und in deutscher Übersetzung herausgegeben. Heute abend wird sie ihr Buch im Ortsamt Mitte vorstellen, als vierte der insgesamt fünf nichtdeutschen Autorinnen einer Lesungsreihe der Bremer Immigrantinnengruppe „De Colores“.

Die Bremer Künstlerin ist selbst in Santiago de Chile aufgewachsen. 1979 verließ sie mit 20 Jahren gegen den Willen der Eltern ihre Heimat, um mit einer

Frau im Profil

Freundin auf Europareise zu gehen. Zweieinhalb Jahre waren die beiden Frauen unterwegs, Marty Brito heiratete und blieb in Deutschland. „Ich wollte trotz meiner Familie hier Grafik und Design studieren und habe das auch geschafft.“ Heute arbeitet Marty Brito als freie Grafikerin und Buchgestalterin und lebt seit einigen Jahren mit ihren drei Kindern von ihrem Mann getrennt.

„In Deutschland zu Hause zu sein, ist anstrengend. Ich hab mir aber gesagt, ich muß die Sprache lernen, damit ich mich wehren kann“, sagt die quirlige Frau. „Ich finde es toll, mittlerweile in meiner Arbeit provokativ sein zu können“. Anfangs hatte sie vor allem das Gefühl, für ihre Farben kämpfen zu müssen: „Alle anderen hatten gerade ihre coole Phase mit schwarz, weiß, höchstens mal rot.“ Farben aber bedeuten für Marty Brito ein Stück Bewahrung der Kultur ihrer Heimat: „Farben, Formen und das Fühlen sind meine Welt, meine Sprache sind die Bilder.“

Zehn witzige, traurige oder ernste Antworten der Kinder aus Santiago auf Nerudas Fragen hat Marty Brito für ihr Buch ausgewählt und mit farbkräftigen Linolschnitten illustriert. Dabei erzeugt sie einen Dialog zwischen Dichter und Kindern, weil Fragen und Antworten sich durch transparente Blätter ineinanderschieben.

„Ich mag das Intuitive und Freie daran, und liebe es auch, mit vielen Leuten über das Buch zu sprechen und oft ganz neue Aussagen darin entdecken.“ Marty Britos Lesung heute abend wird ein richtig kleines chilenisch-deutsches Fest werden, zweisprachig und mit südamerikanischer Gitarrenmusik. Silvia Plahl

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