Kinderärzte entdecken Jugendliche

■ Berufsverband fordert psychosoziale Vorsorgeuntersuchung für 10-13jährige

Kinderärzte entdecken Jugendliche

Berufsverband fordert psychosoziale Vorsorgeuntersuchung für 10-13jährige

„Wir brauchen eine zusätzliche Vorsorgeuntersuchung für Kinder“, mit dieser Forderung wandte sich der Berufsverband der Kinderärzte Deutschlands gestern an die Öffentlichkeit. Die bestehenden Untersuchungen U 1 bis U 9 reichen nicht, sagen die Pädiater, denn sie enden im zarten Alter von fünfeinhalb Jahren. Die Kinderärzte fordern deshalb eine U 10, mit der Heranwachsende zwischen 10 und 13 Jahren abgecheckt werden — und zwar insbesondere, um psychosozial bedingte Entwicklungsstörungen rechtzeitig zu entdecken. Die Hälfte ihres Arbeitstages würden die Kinderärzte mit Sozialstörungen bei Heranwachsenden verbringen. „Die Jugendlichen werden im Stich gelassen“, stellte Professor Dieter Palitzsch, wissenschaftlicher Leiter der Jahrestagung, fest. Ärzte seien „eine gewisse neutrale Anlaufstelle.“ Sie kämen über Hausbesuche auch schon mal ins private Umfeld, könnten am ehesten und unverfänglich z.B. offenkundige Familienprobleme ansprechen.

Als der Bremer Kinderarzt und Präsident des Berufsverbandes Wolfgang Meinrenken dann auf die aktuelle Situation, zunehmende Jugendgewalt und die jugendpolitischen Debatten verweist, ist der Presse das Feld vorbereitet. „Problem Schulhof“ setzt Hans Blatt, Honorarexperte der Standesorganisation, nach.

Daß sich Kinderärzte all dieser Probleme annehmen wollen, noch dazu mit dem Instrumentarium einer Vorsorgeuntersuchung, läßt nach der Abgrenzung zu Kinderpsychologen fragen: „Zum Psychologen kann man nicht einfach hingehen“, erklärt daraufhin Dr. Palitzsch. Außerdem habe der keinen Zugriff auf die Krankenkassen, und schließlich: man müsse zunächst zum Arzt und der die Notwendigkeit einer psychologischen Behandlung erkennen.

Der Katalog zu „erfragender Befunde“ für die geforderte U 10 ist dann auch entsprechend umfangreich. Angefangen von der Diagnose möglicher Sprach- und Sprechstörungen über Gespräche mit den Eltern bezüglich Verhalten und Entwicklung bis hin zu „intensivem Eingehen auf Pubertätsprobleme“ und Suchtgefährdung werden kaum Bereiche ausgenommen. Mit mindestens 750 Untersuchungspunkten (ca. 75 Mark) müsse eine solch präventive U 10 bei den Kassen abgerechnet werden, so die Ärzte. Doch noch sind nur die Privatkassen überzeugt, die mit bis zu 500 Punkten seit Anfang 1993 die Untersuchung bereits abrechnen. Dennoch plagt die Kinderärzte die Sorge, daß bei Honorarbegrenzung und gleichzeitig zunehmender Patientenzahl ihr Einkommen sinken könne. ra