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Auf Krücken durch die Soziokultur

■ Die freien Kulturbetriebe fordern staatliche Existenzsicherung / Eine Diskussion im Lagerhaus

„Deutlichen Druck“ sollen künftig all jene Kulturbetriebe zu spüren bekommen, „die den Umbauprozeß nicht konstruktiv begleiten wollen“. Also spricht Detmar Leo, Kulturexperte der SPD, und meint damit vor allem die etablierten, von „Verkrustung“ befallenen Unternehmen. „Umbau“, „Vernetzung“, „Kooperation“ — ja, das hörte sich schon mal sehr konstruktiv an, was da im Lagerhaus über die „Perspektiven der Bremer Soziokultur“ diskutiert wurde. Schließlich sollte es, dieses eine Mal wenigstens, „kein Jammern und Klagen“ über nichtgehabte Subventionen geben. Aber, ach — auch und gerade die WortführerInnen der heimischen Soziokultur, sie lieferten sich und den gastierenden KulturpolitikerInnen eine weitere Runde im beklagten „Verteilungskampf“ um Töpfe und Köpfe.

Nämlich: Nach Jahren, Jahrzehnten gar, in denen sich Schlachthof, Lagerhaus, freie Ensembles etc. „aus Sparsamkeit auch 'ne Art von Kultur gemacht“ haben (Ralf Lorenzen, Schlachthof), da müsse das heimische Kulturressort die „Existenzsicherung“ der Soziokultur gewährleisten, zumindest anteilig. Stets seien die Freien „gehätschelt und getätschelt“ worden, von oben nämlich, weil sie sich so uneigennützig bis zur Selbstausbeutung für die Idee der Soziokultur engagiert hätten. Das habe freilich nur über hunderte von ABM-Stellen finanziert — eine Fehlkonstruktion, eine wahre „Krücke für die freie Kultur“, so Lagerhäusler Uli Pollkläsener, die jetzt endgültig aus dem Leim gehe. Ein „Kardinalfehler“ sozialdemokratischer Kulturpolitik, räumt selbst Detmar Leo ein.

Weil aber rund 300 ABM- Stellen in Bremens Kulturbetrieben „wegbrechen“, und nochmal 17 Millionen Mark weiterer „Drittmittel“ für die Soziokultur, fordern die Freien nun das ein, was die Koalition versprach: eine „personelle Absicherung“ durch Stellenvergabe bis zu fünf Jahren. Und da will jeder der erste sein.

Keineswegs wolle das Lagerhaus es hinnehemen, wenn die SPD — wie kolportiert wird — die im Haushalt erstmals angesetzten 600.000 Mark für das Kulturzentrum nun schon drücken möchte. Oder wenn gar, wie Pollkläsener fürchtet, Entscheidungen getroffen würden, „die eine ganze Szene rasieren“.

Dann lieber: Gleiche Rasur für alle. Wenn schon ein kostspieliger Intendant verabschiedet werde — warum sich dann nicht gleich die Intendanten- Stelle sparen? Das aber will Senatorin Helga Trüpel nicht mitmachen: Sowas habe „ungeheure Reibungsverluste und Kämpfe“ zur Folge, die sie wiederum dem Theater ersparen möchte. Oper und Theater bleiben: „Ungeheure Umverteilungs-Spielräume gibt es da nur, wenn man das Theater in den Boden stampft, und das ist nicht meine Kulturpolitik.“

Trotz der Finanzmisere sieht Trüpel das Koalitions-Versprechen auf Existenzsicherung auch nicht völlig gebrochen. Die geplanten 1,5 Millionen Mark für Projektförderung in 1994 seien ein „Signal, daß man diese Arbeit in den Stadtteilen wichtig findet.“ Ansonsten mahnt sie die Freien zur Mäßigung: Das alleinige „Starren uf den Staat hat schnell was Pubertäres“.

Wo aber das Kulturressort nicht zum liebenden Versorger taugt, da müssen die Erbonkel helfen. Detmar Leo weiß einen: Claus Jäger z.B., seines Zeichens Wirtschaftssenator. Was allein die Shakespeare-Company an Gewinn bringe — da müsse man doch auch „eine Finanzierung hinkriegen, die im Wesentlichen auch über die Wirtschaft läuft“. Wer sich dann freilich der finanzschwachen Kulturläden erbarmt — das blieb ungefragt. two

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