: Kassenkampf in der Karibik
■ Castro wirbt in Hamburg um Kapital und Kooperation Von Sven-Michael Veit
Fleißig seien sie, seine Landsleute, und willig obendrein. Und gebildet wie kaum jemand auf dem ganzen Kontinent: Zehn Schuljahre durchschnittlich, das könne sich ja wohl sehen lassen. Überdies seien sie allesamt kerngesund, denn die medizinische Versorgung in seinem Land könne sich durchaus mit der vieler westlicher Staaten messen: „Gesunde und starke Arbeiter“ würden den erwarten, der mit Geld und guten Absichten käme.
Der Mann im grauen Anzug zeigt keinerlei sichtbare Gemütsregung, als er die Menschen in seiner Heimat anpreist, als wäre er Auktionator auf einem Sklavenmarkt. Dabei ist er Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Kuba, und seine Rede hält er in den ehrwürdigen Räumen der Handelskammer zu Hamburg. Ein kleiner, gleichwohl feiner Unterschied.
Oscar Alfonso hat sich den ganzen Vormittag den Mund fusselig geredet, um Führungskräften deutscher Unternehmen auf der Kuba-Konferenz in der Handelskammer das sonnige Investitionsklima in seiner Heimat schmackhaft zu machen. Im Tourismus und in der Biotechnologie sei schon mit relativ bescheidenen Investitionen so mancher Dollar zu verdienen, ebenso in der Landwirtschaft, vor allem mit Zucker. Und im Industriesektor würden „300 moderne Fabriken“ produzieren, was immer gewünscht werde, sofern ein bißchen Kapital und Vermarktungs-Know-how geliefert würde. Der Staatssekretär rühmte die „soziale Stabilität“ seines Landes, wies darauf hin, daß „keine Bestechungsgelder gezahlt werden müssen“ und daß die Regierung des alternden Revolutionshelden Fidel Castro „keinerlei Dogmen im Hinblick auf ausländisches Kapital“ (mehr) habe. Staatliches Dreinreden in die Firmenpolitik gebe es ebensowenig wie Umsatzsteuern. Nur eine dreißigprozentige Gewinnsteuer würde erhoben, wobei „die Handhabung dieses Satzes nach unten flexibel“ sei. All das wiederholt Senor Alfonso auf der anschließenden Pressekonferenz, und er fügt hinzu, seine Regierung sei „offen für alles“.
Doch es wird nur wenig kommen. Kuba verfüge über „keinerlei Kreditwürdigkeit“, gab Konferenz-Vorsitzender und Unternehmer Peter Schirrmann zu bedenken. Keine deutsche Bank würde für das realsozialistische Relikt in der Karibik auch nur einen Pfennig locker machen, Bundes-Bürgschaften für Exporte seien ebenfalls nicht zu bekommen. Wer mit Kuba Handel treibe, gehe ein „hohes unternehmerisches Risiko“ ein. Ob man sein Geld bekomme, sei fast ein Glücksspiel. Zunächst müsse das nahezu zahlungsunfähige Land, das mit den ehemaligen osteuropäischen Bruderstaaten zugleich Absatzmärkte und Rohstoffquellen verlor, die Grundvoraussetzungen schaffen, sprich liquide werden. Ohne internationale Hilfen durch Schuldenerlaß sei das wohl nur mit der Wünschelrute zu erreichen: „Vielleicht finden sie ja Öl“.
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